Die Tochter des Königs
dieser Feuersbrunst, als dass sie von dem kalten, berechnenden Mann neben ihm verursacht worden war.
Titus hievte sich aus seinem Sitz. »Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, ein paar Pläne zu schmieden.«
»Du willst nicht zum Feuerlöschen raus?«
Titus hob die Augenbrauen. »Ich bin nicht eingeteilt, und freiwillig melde ich mich bestimmt nicht. Wozu denn? Ein Mann mehr oder weniger, der Wasser in die Flammen schüttet - auf den kommt es jetzt auch nicht an. Für mich stehen spannendere Sachen an. Bist du mit von der Partie?« Er sah Lucius in die Augen.
Lucius zögerte, dann schüttelte er den Kopf. Er war nicht bereit, noch länger bei Titus’ sadistischen Plänen mitzumachen. Das hatte er schon vor einiger Zeit beschlossen. Julias Tod hatte ihn mehr verstört, als er sich eingestehen wollte. Es hatte seine Freundschaft mit diesem Mann in den Grundfesten erschüttert, so sehr, dass er nicht einmal wusste, ob er ihn noch als Freund bezeichnen wollte. Mit einem entschlossenen Lächeln nahm er seinen Umhang und ging zur Tür. »Ich gehe mal raus zum Löschen. Da draußen sterben Männer und Frauen und Kinder. Wer immer für dieses Feuer verantwortlich ist, sie waren’s auf jeden Fall nicht!«
Titus machte eine wegwerfende Geste. »Wie du willst. Ich glaube, es ist sowieso Zeit, dass Eigon und ich uns ein bisschen allein amüsieren. Und für meine Pläne kann ich keine Zeugen brauchen!«
Beim Läuten ihres Handys fuhr Jess zusammen. Ihr war flau, sie hatte entsetzliche Angst. Sie musste Eigon warnen.
Irgendwie musste sie Kontakt zu ihr aufnehmen. Und sie zwingen, ihr zuzuhören. Das Handy klingelte beharrlich weiter. Mit einem ärgerlichen Seufzen bückte sie sich nach ihrem Lederrucksack, der neben der Kommode auf dem Boden lag, und fischte es heraus. Ohne einen Blick auf die Nummer des Anrufers zu werfen, schaltete sie es aus. Carmella und William hatten ihr zwar eingeschärft, es rund um die Uhr anzulassen, aber nicht jetzt. Nicht, wenn sie versuchte, mit Eigon in Kontakt zu treten. Sie warf das Handy in den Rucksack zurück und setzte sich mit geschlossenen Augen wieder aufs Bett. Vergiss nicht, dich zu schützen. Einen Moment hallte Carmellas Stimme durch ihren Kopf. Dafür hatte sie jetzt keine Zeit. Jetzt musste sie handeln. »Eigon«, flüsterte sie. »Eigon, bist du da? Hör mir zu. Bitte hör mir zu. Du musst vorsichtig sein.« Lange herrschte Stille, nichts passierte. Dann kam Jess eine Idee. Sie riss die Augen auf. Lucius hatte gesagt, dass Eigon sich habe taufen lassen. Sie war Christin geworden. Warum hatte sie das nicht miterlebt? Wie konnte ihr ein so wichtiges Ereignis entgangen sein? War es ein so großes Geheimnis, dass sogar Jess davon ausgeschlossen worden war? Ungeduldig verzog sie das Gesicht. »Jetzt komm schon!«, murmelte sie. »Wo bist du?«
Selbst jetzt war ihr nicht klar, wie der Vorgang funktionierte. Manchmal träumte sie. Manchmal schien sie in eine Trance zu fallen. Manchmal war sie wach und verfolgte die Szene, als würde sich ein Film vor ihren Augen abspielen. Vermittelte Eigon ihr bewusst, was gerade passierte? Wollte sie, dass Jess ihre Geschichte erfuhr? Wollte sie Hilfe, wie damals als kleines Mädchen in den Wäldern von Wales? Oder spielte sich das alles nur in ihrem, Jess’, Kopf ab? Sie ballte die Hände zur Faust. »Eigon, bitte hör mir zu! Pass auf! Er ist auf der Suche nach dir.«
Nach sechs Tagen war das Feuer schließlich gelöscht. Doch bis auch nur ansatzweise wieder Ordnung in die zerstörte Stadt einzog, würde weitaus mehr Zeit vergehen. Überall herrschte ein Durcheinander, selbst in den Stadtteilen, die vom Feuer verschont geblieben waren. Sogar hier draußen in den Vororten waren die Zustände chaotisch. Doch das Tor zur Villa stand offen. Titus lächelte. Er sah, wie ein Wagen hineinfuhr, über den staubigen Hof rumpelte und vor der Eingangstür zum Stehen kam. Nachlässig war das einzige Wort, mit dem dieser Haushalt zu bezeichnen war.
Aelius war nicht mehr er selbst. Er wurde alt. Ohne starke Hand, die ihn leitete, hatte er zu lang nach eigenem Gutdünken schalten und walten können, und der Schock über das Feuer und die Ungewissheit wegen seines Sohns hatten ihm die letzte Kraft geraubt. Allerdings hatte er nach wie vor keine Ahnung, was sein Sohn tatsächlich trieb. Titus grinste höhnisch. Es war so einfach gewesen, Flavius für sich zu gewinnen. Ein paar Denare hier und da, und der Bursche tat alles, was man von ihm verlangte.
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