Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
Vom Netzwerk:
hätte mein Vater dich genannt.« Sie sagte nicht, dass sie selbst leidlich sang und
dass sie sich auch bereits gefragt hatte, ob sie nicht letztlich um Geld singen würde, um ihre Reise zu finanzieren.
    Als nachts alle schliefen, stand Eigon leise auf und schlich in den Garten. Der Herbst hatte die sorgsam gepflegten Blumenbeete schon verunstaltet, aber über die modrige Feuchtigkeit des Laubs und den Geruch der regennassen Stoppelfelder jenseits der Stadtmauer roch sie den Duft der Kräuter. Holzrauch trieb zu ihr herüber. Als sie zum Himmel schaute, sah sie die Kassiopeia, die Melinus Llys Don genannt hatte. Sie versuchte, sich einiger anderer Sterne aus ihrer Kindheit zu entsinnen. Der Morgenstern, den die Römer Venus nannten, hatte bei ihrer Mutter Berlewen geheißen, das gesegnete Licht des Gottes Lugh. Der Himmel wurde diesig, langsam legte sich der Rauch wie ein Schleier vor ihn.
    Am Ende des Gartens stand eine alte Holzbank. Dort setzte sie sich und zog fröstelnd den Umhang fester um sich. Je weiter sie nach Norden gelangten, desto kälter wurde der Wind, bald würden sie in die ersten Winterstürme geraten. Eigon seufzte. Sie wusste nicht mehr, wie viele Tage sie schon unterwegs waren, aber beim Essen hatte die Wirtin erwähnt, dass bald das Fest Samhain beginnen würde. Offenbar war sie seit Wochen am Backen und Einkochen. Eigon hatte einen Blick zu Drusilla geworfen, die verständnislos dreinschaute. »Das Fest findet zur selben Zeit statt wie die Spiele Sullas in Rom«, erklärte sie. »Aber es ist ein sehr wichtiges Fest, bei dem man sich vom alten Jahr verabschiedet und das neue begrüßt. Es ist eine Zeit, wenn die Götter und die Vorfahren zu uns sprechen.«
    »Dürfen wir das feiern?«, hatte Drusilla mit einem Blick zu Commios gefragt. Es gab so vieles, an das man bei Christi Lehre denken musste. Sie hatten Petrus’ Predigten immer wieder gehört und in sich aufgenommen, sie hatten
seine Briefe vielfach gelesen, wie auch die Briefe des Paulus, die sich in der christlichen Gemeinde großer Beliebtheit erfreuten, aber manchmal wussten sie trotzdem keine Antwort auf eine Frage. Und jetzt gab es niemanden mehr, an den sie sich wenden konnten. Ihnen blieben nur ihre Gebete.
    Ihre Botschaft mit sich zu tragen, war eine Verantwortung, die sie nicht vergessen konnten, aber sie waren übereingekommen, dass es töricht wäre, allzu bald Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Es war besser, erst einmal möglichst schnell und unauffällig ihr Ziel zu erreichen. Dann blieb ihnen immer noch Zeit, den Menschen von ihrer aufregenden Botschaft zu erzählen.
    Ihre Wirtin betrachtete sie neugierig. »Warum solltet Ihr nicht feiern?«, fragte sie erstaunt.
    Eigon schüttelte den Kopf. »Natürlich werden wir feiern«, sagte sie lächelnd. »Und Commios wird uns allen etwas vorsingen.«
    Drusilla und Commios hatten zustimmend genickt, beide erleichtert, dass Eigon die Entscheidung für sie getroffen hatte.
    Während sie jetzt in den Himmel schaute, fiel aus dem Taurus eine Sternschnuppe. Sie lächelte über das Zeichen, dann wurde ihre Miene wieder ernst. Sie durfte jetzt nicht mehr davon ausgehen, dass derlei Ereignisse Nachrichten von den Göttern waren. Ihr Gott, Jesus Christus, hatte nichts von Sternschnuppen erzählt, oder? Traurig schüttelte sie den Kopf. Noch eine Gewissheit, die sie hatte aufgeben müssen. Wieder einmal fragte sie sich, ob sie wirklich die Richtige für diese Mission war. Sie hatte nicht das Gefühl, genügend darauf vorbereitet zu sein, genügend zu wissen. Kind, wenn du zweifelst, dann bete. Bete. Bitte Jesus, dir beizustehen. Er wird dir sagen, was du tun sollst. Petrus’ Stimme hallte ihr in den Ohren.

    »Vater unser, der du bist im Himmel.« Sie machte eine Pause, schaute immer noch verwundert zum Firmament, aber Nebel und Rauch verdeckten es, sie konnte die Sterne nicht mehr sehen. »Bin ich auf dem richtigen Weg? Und bitte, sag mir, ob Titus noch eine Gefahr für uns ist. Lieber Gott, ich weiß nicht, ob ich das Richtige mache. Hilf mir. Sprich zu mir. Amen.«
    Sie schloss die Augen und wartete. Sie fröstelte. Plötzlich war die Nachtluft kühler geworden. Ihr Glücksgefühl war fort.
    Und dann war er da, hinter ihren Augen, wartete forschend, suchend, in ihrem Kopf. Vor Angst verspannte sie sich. Er war bei Marcia Maximilla, der besten Seherin in ganz Rom. Er hatte Gold in ihre gierigen Hände gehäuft, und sie suchte überall nach ihr. Eigon konnte ihr Gesicht sehen, die kalten

Weitere Kostenlose Bücher