Die Tochter des Königs
tiefhängenden Wolken warf, war eine dünne silberne Linie zu sehen. Eigon sank auf die Knie. »Lieber Herr, bring uns sicher über das Wasser. Behüte uns und segne uns und schütze uns vor unseren Feinden.« Lange Zeit blieb sie so knien, verlor sich im Rhythmus des Meeres. Schließlich richtete sie sich langsam wieder auf. »Gott wird uns ein Boot schicken. Wir brauchen nur zu warten.« Sie lächelte ihren zwei Begleitern zu. »Schaut mich nicht so an. Ich habe einfach das Gefühl, dass mein Gebet erhört werden wird. Wir brauchen nicht zum Hafen zu gehen. Dort wird Titus uns umsonst suchen.«
Sie entzündeten ein Feuer, um das sie lagern konnten, und aßen das Brot und die Äpfel, die sie sich erbettelt hatten, als sie einige Meilen zuvor ein Haus passierten. Als es dunkel war, hüllten sie sich fest in ihre Umhänge und legten sich auf den Sand. Es war kalt, der Wind wurde immer stärker. Drusilla und Commios tauschten einen Blick. Beiden dachten sich, dass sie im Ort eine wärmere und sicherere Unterkunft finden könnten, ohne dass Titus erfuhr, wo sie waren. Eigon saß aufrecht in ihren Umhang gehüllt da, die Augen aufs Meer gerichtet.
Es war schon völlig dunkel, als sie Ruder ächzen hörten und Männerstimmen, die übers Wasser zu ihnen trieben. »Da am Strand brennt ein Feuer.« Das Boot steuerte auf sie zu.
Commios fluchte leise. Sofort versuchte er, die Glut mit Sand zu löschen, aber Eigon hielt ihn mit einer Geste davon ab. »Das ist das Boot, das Gott uns schickt«, flüsterte sie.
»Vielleicht hast du Recht, vielleicht auch nicht«, antwortete er. »Zeig dich nicht, ehe wir wissen, wer sie sind!«
Zumindest war sie so vernünftig, seinem Vorschlag zu folgen. Schweigend warteten sie, bis das Boot angelandet
war und zwei Männer ausstiegen. »Der Wind dreht«, sagte einer von ihnen. »Wie’s aussieht, steht uns eine gute Nacht bevor. Der Fang sollte sich lohnen. Tja, was haben wir denn hier?« Sie näherten sich und blieben neben dem Feuer stehen.
»Guten Abend.« Die größere der beiden schattenhaften Gestalten starrte zu ihnen herüber, ohne sie in der Dunkelheit der Bäume zu sehen. »Ist da jemand?«
Commios trat vor. »Seid gegrüßt, Freunde.« Er hob die Arme, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. »Ihr seid an unserem Feuer willkommen.«
»Unserem?«, fragte der zweite Mann und blickte sich wieder suchend um. Von den beiden Frauen war nichts zu sehen.
Commios nickte. »Wir erwarten ein Boot. Seid ihr die Seeleute, die geschickt wurden, um uns nach Britannien überzusetzen?«
Die beiden Männer brachen in schallendes Gelächter aus. »Das glaube ich nicht!«, sagte einer von ihnen. »Wir sind einfache Binnenfischer, damit verdienen wir uns unser täglich Brot, und sonst kümmern wir uns um nichts. Wenn ihr übersetzen wollt, müsst ihr nach Gesoriacum hinüber. Dort findet ihr genügend Boote, die euch mit ihrer Fracht hinüberbringen.« Als Eigon, gefolgt von Drusilla, aus dem Schatten trat, weiteten sich seine Augen, und er wich ein paar Schritte zurück.
Eigon ging direkt zum größeren der beiden Männer, der offenbar der Wortführer war. »Bitte, ist dein Boot groß genug, um die Überfahrt zu schaffen?«
»Nein!« Das sagte der Begleiter des Mannes.
»Ja!«, prahlte der Bootseigentümer.
»Wir würden euch gut entlohnen. Wie viel verdient ihr mit dem Fang einer Nacht?«
Der Mann zögerte. Es war unverkennbar, dass er schnell ein paar Zahlen überschlug. Zu viel, und er würde die Kundschaft verlieren. Commios griff in die Börse an seinem Gürtel und ließ leise die Münzen klimpern. Bei dem Geräusch kamen die beiden Männer offenbar zu einem Entschluss. »Bezahlung im Voraus.«
Commios nickte.
»Und angelandet wird dort, wo immer wir die Küste erreichen. Ich kenne das Land dort nicht.« Er schaute über die Schulter zu den sanft wogenden Wellen. Der Wind war noch mehr abgeflaut, aber er kam von hinten, blies vom Land aufs Meer hinaus.
»Eine Bedingung.« Commios hob die Hand. »Wenn ihr wieder hier seid, erzählt ihr niemandem, dass ihr uns gesehen habt. Tut ihr es doch, kommt der Zorn Gottes über euch.«
Der Mann schnitt eine Grimasse. »Der Zorn meiner Frau wird über mich kommen, wenn sie erfährt, wo wir gewesen sind. Keine Sorge, mein Freund. Wir erzählen niemandem davon. Keiner Menschenseele.«
Kapitel 33
J ess regte sich. Etwas berührte ihr Gesicht. Mühsam versuchte sie, die Augen zu öffnen. Über sich sah sie ein Blätterdach, das Laub bewegte sich
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