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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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angeboten, aber Eigon hatte sie alle ignoriert, und schließlich hatte man sie in Ruhe gelassen. Ihre Augen waren auf das Stadttor gerichtet, doch im Kopf war sie in der Festung, beobachtete ihre Gefährten, folgte ihnen und betete für sie.
    Erst nach einer ganzen Weile bemerkte sie den Mann, der im Schatten des Tores stand und nachdenklich zu ihr herübersah. Sein Gesicht war nicht richtig zu erkennen, da die schwache Morgensonne nur auf die Straße fiel, aber sie bemerkte seine wachsame Haltung, die Aufmerksamkeit, mit der er sie betrachtete. Instinktiv wich sie weiter zurück und wandte sich halb ab. Wer immer er war, sie wollte nicht, dass er sie erkannte.
    Vorsichtig drehte sie sich wieder um, hatte die Kapuze ihres Umhangs tief ins Gesicht gezogen. Er stand immer noch da und beobachtete sie.
    Gemächlich ging sie ein paar Schritte davon und bog in die erste Seitenstraße. Dann begann sie zu laufen, die Straße entlang zur nächsten Kreuzung, wo sie wieder in eine schmale Gasse abbog und beinahe dort landete, wo sie zuvor gewartet hatte. Die Gestalt war verschwunden. War der Mann ihr gefolgt? Besorgt warf sie einen Blick über die Schulter. Es war nichts von ihm zu sehen. Ein Wagen ratterte langsam an ihr vorbei auf das Stadttor zu. Er blieb stehen, ein Wachposten trat vor, um mit dem Kutscher zu sprechen. Der Mann beugte sich herab und wedelte mit den Armen durch die Luft. Dann lachten beide.
    Jemand berührte sie am Arm, und sie fuhr zusammen. »Eigon!« Es war Drusilla.

    »Wie bist du da herausgekommen, ohne dass ich dich gesehen habe? Was ist passiert? Wo ist Commios?« Eigon fasste sie am Arm.
    »Er ist in Sicherheit«, flüsterte Drusilla. »Bevor der Wagen wieder hinausfährt, packen sie ihn hinein. Sie haben volle Amphoren angeliefert, die ersetzen sie gerade durch unzerbrochene leere und bringen sie zum Lagerhaus zurück. Du gehst jetzt. Titus ist hier, wie immer fragt er überall nach dir und bietet eine Belohnung an. Zum Glück hat er sich offenbar ziemlich arrogant aufgeführt. Die Männer, mit denen ich gesprochen habe, freuen sich, wenn sie ihm eins auswischen können. Ihr Schaden soll’s nicht sein, sie werden ein ganzes Stück reicher sein, wenn sie tun, was ich will.« Lächelnd klopfte sie auf die Börse unter ihrem Umhang. »Seine Belohnungen werden immer magerer. Entweder glaubt er, dass die Leute hier bereit sind, mehr für weniger Geld zu tun, oder seine Reserven gehen zur Neige! Du verschwindest, solange es noch möglich ist. Nimm das Westtor und geh die Straße entlang, bis du zu einer Villa kommst, die rechter Hand liegt. Es ist das erste große Haus, auf das du triffst, es dient als eine Art Raststation. Ungefähr drei Meilen sind es bis dorthin. Warte da auf uns. Gott behüte dich!« Damit war sie wieder fort.
    Eigon starrte ihr nach, aber sie hatte keine Zeit zu verlieren. Sie hüllte sich fester in ihren Umhang, nahm den Korb an sich und machte sich auf die Suche nach dem Westtor.
    Commios wusste, was er zu tun hatte. Als der Wachposten ihm ein Zeichen gab, stand er auf und hielt sich bereit. Der Mann hob eine Hand, um ihn kurz zurückzuhalten, während er prüfend zur Tür hinausschaute, dann winkte er ihn in den Durchgang und von dort in den äußeren Hof. Im Handumdrehen war Commios in den Wagen gesprungen, jemand warf einen Stapel Säcke über ihn und deckte ihn so
gut wie möglich mit einigen leeren Amphoren zu, dann wurden die zwei verschlafenen Ochsen mit lauten Rufen und Peitschenknallen in Gang gesetzt. Commios blieb still liegen, sein Herz raste, jeden Moment erwartete er, einen Aufschrei zu hören, einen Alarmruf, dass seine Flucht entdeckt worden war. Aber nichts dergleichen geschah. Schlingernd und mit quietschenden Rädern drehte der Wagen um und setzte sich dann richtig in Bewegung. Durch ein Loch zwischen den Säcken sah Commios den massigen Bogen in der Festung, den der Wagen passieren musste, ehe er auf die Hauptstraße einbog. Commios war wieder frei. Lange Zeit wagte er nicht, sich zu rühren, bis eine Stimme vorne im Wagen rief: »He, du da hinten! Spring runter, solange niemand herschaut!«
    Das brauchte Commios nicht zweimal zu hören. Im Nu hatte er die Säcke zurückgeworfen und war aus dem Berg herumrollender Amphoren über die Seite des Wagens auf die Straße gesprungen.
    Drusilla packte ihn am Arm und zog ihn in den Schatten. »Das war knapp. Ich war mir sicher, dass jemand mit einem Schwert im Wagen herumstochern würde, um sicher zu gehen, dass sich

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