Die Tochter des Königs
schon dieses und jenes bemerkt. Obwohl es wirklich aussieht, als hätten Sie die Geister ganz besonders geweckt!«
Jess biss sich auf die Unterlippe. Er kannte ja nicht die Verbindung zwischen Eigon und ihr. Den Grund, weshalb das Mädchen, die Tochter Caratacus’, zu ihr kam und bei ihr Trost suchte. Und um Hilfe bat. Tat sie das wirklich?
»Es war auf jeden Fall interessant, fanden Sie nicht?«, fuhr Rhodri gut gelaunt fort. »Vielleicht sollten Sie mal nachschauen, ob die beiden nicht eine Website haben. Solange Sie keine Angst haben! Ein glücklicher Zufall, dass ich die Sendung gestern in der Fernsehzeitschrift gesehen habe. Ich habe nach einem Konzert mit mir gesucht, aber das kommt erst heute Abend.«
Jess lächelte matt. »Ich höre es mir an …« Sie brach ab, als die Spiegelung einer Windschutzscheibe über die Mauer huschte. »Rhodri, Entschuldigung, ich kriege Besuch. Ich ruf Sie später nochmal an.«
Williams rotes MG Sportcoupé war in den Hof gefahren. Jetzt stieg er aus, nahm die Sonnenbrille ab und schaute sich um. »Jess?« Er ging zur offenen Haustür. »Jess, bist du da?« Wenige Sekunden später stand er ihr gegenüber in der Küche. »Da bist du ja! Mein Gott, es war wirklich nicht leicht, dich aufzustöbern, Jess.« Er trat auf sie zu, doch als
er die Panik auf ihrem Gesicht bemerkte und sah, wie sie ängstlich hinter den Tisch zurückwich, blieb er stehen. »Was ist denn los? Entschuldigung, habe ich dich erschreckt? Ich dachte, du hättest mich durchs Fenster gesehen.« Er warf seine Sonnenbrille auf den Tisch. »Ist in der Kanne noch ein bisschen Kaffee? Die Fahrt von London ist einfach höllisch weit. Weißt du noch, wie wir manchmal zusammen hergefahren sind, um vor Sonnenaufgang hier zu sein, noch bevor Steph aufstand?« Er zog einen Stuhl zu sich und setzte sich, dann musterte er ihr Gesicht. »Jess, was ist denn los? Was soll das Ganze?«
Seufzend nahm sie ihm gegenüber Platz. »Du weißt, worum es geht, William. Und du weißt, dass ich dich nie mehr sehen wollte. Also warum bist du hergekommen?«
»Ich bin gekommen, weil du auf meine Anrufe nicht reagiert hast, Jess. Ich will wissen, weshalb. Ich dachte, wir hätten uns nach der Schulparty relativ einvernehmlich getrennt, ich dachte, wir könnten Freunde bleiben. Ich dachte, es hätte uns gefallen, wieder miteinander zu tanzen. Dann finde ich heraus, dass du gekündigt hast und verschwunden bist, und niemand will mir sagen, wo du steckst. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Wenn Daniel mich nicht gestern angerufen hätte …«
»Daniel hat dir erzählt, wo ich bin?«
»Er macht sich auch Sorgen, Jess.«
»Das glaube ich gern. Hat er gewusst, dass du in den Wagen springen und schnurstracks herfahren würdest?« Sie merkte, dass sie zunehmend hysterisch wurde.
»Ich weiß nicht …«
»Und du bist überhaupt nicht auf die Idee gekommen, anzurufen und mich zu fragen, ob es mir passt? Zu fragen, ob ich dich sehen will?«
»Ich habe mir gedacht, dass …«
»Von wegen hast du gedacht!«
»Wenn du mich bitte ausreden lassen würdest. Ich habe mir gedacht, dass du mich nicht sehen willst, Jess, deshalb bin ich unangemeldet gekommen. Ich dachte, dann könnte ich dich wenigstens sehen. Ich weiß, dass wir uns getrennt haben, Jess, aber sieh mir bitte nach, dass ich wissen will, ob bei dir alles in Ordnung ist.«
»Ob bei mir alles in Ordnung ist! Wie könnte alles in Ordnung sein nach dem, was du getan hast!«
»Also wirklich, haben wir das nicht lang genug durchgekaut?«
Beide hatten im Zorn die Stimme erhoben.
Können wir jetzt mit dem Spiel aufhören? Die Worte hallten durch die Küche.
Jess holte erschrocken Luft.
»Jess, weißt du, es tut mir sehr leid, dass wir uns getrennt haben.« William nutzte den kurzen Moment der Stille, er hatte die Kinderstimme offenbar nicht gehört. »Du kannst gar nicht wissen, wie leid es mir tut. Du bist mir immer noch sehr wichtig. Wie könntest du mir nach der langen Zeit plötzlich nicht mehr wichtig sein? Ich wollte nur wissen, ob bei dir alles in Ordnung ist. Nachdem das ja offensichtlich der Fall ist, kann ich gleich wieder fahren.« Er stand auf, zögerte kurz und setzte sich wieder. »Können wir dieses Gespräch bitte nochmal von vorn anfangen? Seit wir uns getrennt haben, sind wir nicht besonders freundlich miteinander umgegangen. Wir haben es geschafft, in der Schule höflich zueinander zu sein. Ich hatte gehofft, wir könnten wenigstens befreundet bleiben. Ich weiß nicht,
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