Die Tochter des Königs
sah Jess sie an. Niemand wird dir glauben. Einen Moment hörte sie Daniels Stimme in ihrem Kopf. »Nein«, stieß sie hervor. »Nein, das könnte nicht sein!« Sie entriss Steph ihre Hand.
»Aber du hast doch gerade gesagt, du hättest dich nicht erinnert, was passiert ist. Manchmal, wenn wir zu viel getrunken haben …«
»Meine Kleider waren zerrissen. Ich hatte überall blaue Flecken. Er hat mich unter Drogen gesetzt. Ich bin bei der Ärztin gewesen.«
Steph blieb der Mund offen stehen.
»Sie hat mich gedrängt, zur Polizei zu gehen, aber ich wollte nicht. Ich wollte nichts wie weg.«
»Also hast du gekündigt und bist nach Ty Bran gekommen.« Steph stand auf, ging zum Fenster und sah hinaus.
Jess nickte, ohne ein Wort zu sagen.
»Warum?« Steph drehte sich zu ihr. »Das verstehe ich nicht. Wenn es stimmt, warum in Gottes Namen lässt du ihn dann ungeschoren davonkommen? Du bist doch eine Kämpfernatur, Jess, du hättest ihn fertigmachen müssen. Das Schwein!«
Jess machte eine abwehrende Geste. »Ich konnte nicht logisch denken. Außerdem weiß ich, was mit Frauen passiert, die einen Mann wegen Vergewaltigung anzeigen wollen. Ich bin einmal mit einer Schülerin wegen einer solchen Sache zur Polizei gegangen. Die Demütigung wollte ich mir nicht antun. Sogar du hast mich doch gefragt, wie viel ich getrunken hatte!«
»Ich glaube dir, Jess.« Steph schüttelte den Kopf. »Natürlich glaube ich dir. Du Arme, das tut mir wirklich so leid. Er ist ein Schwein, ein widerwärtiges Schwein, aber ich fürchte, er hat leider Recht. Selbst wenn du zur Polizei gehen würdest, ohne handfeste Beweise, und selbst wenn …« Steph schwieg kurz und zuckte mit den Achseln. »Da steht sein Wort gegen deins.«
»Fachbereichsleiter. Verheiratet. Angesehener Lehrer. Auf der anderen Seite eine flatterhafte, rachsüchtige, frustrierte Kollegin, die demnächst gefeuert werden sollte. Das meinst du doch«, flüsterte Jess.
»Wollten sie dir wirklich kündigen?«, fragte Steph besorgt.
Jess schüttelte den Kopf. »Nicht, soweit ich weiß, aber er könnte es ja behaupten. Er könnte sagen, dass ich nur aus dem Grund gekündigt habe. Dass ich der Kündigung zuvorkommen wollte. Er könnte alles Mögliche behaupten!«
»Würde der Direktor eher dir oder ihm glauben?«
»Brian?« Jess schüttelte wieder den Kopf. »Eindeutig Daniel. Er hat ihn als Konrektor vorgesehen. Eines Tages wird er selbst eine Schule leiten.« Sie drehte sich zu ihrer Schwester um. »Was soll ich bloß tun, Steph?«
Steph schwieg eine Weile, während sie Jess nachdenklich betrachtete. Schließlich sagte sie: »Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Wie lange kennen wir Daniel jetzt schon? Seit Jahren. Hat er sich je sonderlich für dich interessiert? Ich meine das nicht unfreundlich, aber wenn ich mich recht erinnere, war er nie in dich verknallt. Zumindest nicht so, dass wir es bemerkt hätten.«
Jess lächelte spöttisch. »Dafür war Kim in ihn verknallt, weißt du noch? Ziemlich aussichtslos, wenn mich nicht alles täuscht. Aber früher war ich ja auch mit William zusammen.«
»Hast du William davon erzählt?«
Jess schüttelte den Kopf. »Er und ich haben in letzter Zeit kaum miteinander gesprochen.« Sie machte eine kurze Pause. »Hast du gehört, was ich vorhin gesagt habe? Steph, Daniel hat gedroht, mich umzubringen!«
Steph wandte das Gesicht zum Fenster. »Er glaubt, dass er ungeschoren davongekommen ist, bedroht dich aber immer noch.«
»Er hat Angst, ich könnte Nat davon erzählen.« Fröstelnd zog Jess das Handtuch enger um sich. »Ich wollte das alles vergessen. Alles hinter mir lassen und neu anfangen. Malen, mir vielleicht irgendwo auf dem Land einen anderen Job suchen. Ich wollte Daniel nie wiedersehen. Und jetzt ist er hier.«
»Er mag ja hier sein, Jess, aber das war er die längste Zeit. Dafür sorge ich schon.« Entschlossen ging Steph zur Tür. »Überlass das nur mir.«
William saß gerade in der Küche und sah Kim zu, wie sie in einer schweren Pfanne Zwiebeln anbriet, als Daniel hereinkam, sich an den Tisch setzte und die Weinflasche zu sich zog. »Hört mal, ihr zwei, ich fahre heute Abend nach London zurück.« Er verfolgte, wie Kim etwas Knoblauch in die Pfanne gab und im heißen Öl schwenkte. »Aber vorher muss ich euch noch etwas sagen.« Er warf einen kurzen Blick zu William. »Ihr wisst ja, dass zwischen mir und Jess die Stimmung ein bisschen komisch ist.« Er seufzte und trank einen großen Schluck aus seinem
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