Die Tochter des Königs
Glas. »Ich finde, ihr solltet wissen, was passiert ist. Es wird so oder so herauskommen, was ich vermeiden wollte, aber vielleicht ist es ja auch zu ihrem Besten, wenn ihr Bescheid wisst.« Unglücklich zuckte er mit den Schultern, trank noch einen Schluck Wein und schaute zu William. »Du weißt vermutlich, dass es Jess momentan nicht so gutgeht.« Er atmete tief durch. »Hat sie dir von ihrem Nervenzusammenbruch erzählt?«
William runzelte die Stirn. »Welchem Nervenzusammenbruch denn?«
»Das dachte ich mir.« Daniel schüttelte den Kopf. Kim nahm ihre Pfanne vom Feuer und setzte sich zu den beiden Männern an den Tisch. Mit angespannter Miene schob sie die Ärmel zurück und griff nach ihrem Glas. »Jess hat keinen Nervenzusammenbruch gehabt. Das hätte Steph mir erzählt.«
»Steph weiß nichts davon.« Daniel schürzte die Lippen. »Ich komme mir etwas schäbig vor, das alles hinter ihrem Rücken zu erzählen, aber ich vermute, sie wird ein paar ziemlich unschöne Sachen über mich sagen, und da möchte ich vorher einiges klarstellen. Nachdem ihr euch getrennt habt, William, ist es ihr ziemlich mies gegangen. Das hat sie sehr mitgenommen. Wahrscheinlich brauche ich dir das nicht eigens zu sagen. Na ja, und da hat sie sich ein bisschen
in mich verguckt. Für mich kam das natürlich überhaupt nicht in Frage. Ich meine, sie ist sehr attraktiv, aber ich bin glücklich verheiratet, das wisst ihr ja. Ich habe versucht, ihr das so zartfühlend wie möglich beizubringen, aber sie konnte die Zurückweisung nicht ertragen. Sie hat ein irres Fantasiegespinst entworfen, in dem ich sie geschlagen haben soll. Angeblich habe ich sie sogar vergewaltigt. Sie ist ziemlich heftig geworden und hat gedroht, zur Polizei zu gehen. Ich wusste nicht mehr, wie ich damit umgehen soll. Ich meine, das wüsste doch wohl keiner, oder?« Er sah zwischen Kim und William hin und her, seine Hände lagen um sein Weinglas. »Ich bin zum Rektor gegangen. Habe ihn um Rat gefragt. Ich meine, heutzutage haben Lehrer es ja oft mit Kids zu tun, die für sie schwärmen oder ihnen alles Mögliche vorwerfen, aber nicht unter Kollegen. Nicht jemand wie Jess.« Bekümmert schaute er in sein Glas, dann trank er wieder einen kräftigen Schluck. Es herrschte Stille. Kim und William sahen sich ungläubig an.
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte William schließlich.
»Ich weiß.« Daniel griff nach der Flasche.
»Und du sagst, dass sie an der Schule gefeuert wurde?«, fragte Kim skeptisch.
»Man hat ihr nahegelegt zu gehen«, sagte Daniel und schenkte allen nach. »Die diplomatische Art. Die Kollegin ist überarbeitet, braucht etwas Erholung. Derlei. Dann ist sie total durchgeknallt. Irgendwie hat sie ihre ganzen Anschuldigungen und ihren Frust auf dieses Hirngespenst übertragen. Als sie aus Ty Bran verschwunden ist, habe ich mir ernsthaft Sorgen um sie gemacht. Sie ist über die Felder gerannt auf der Flucht vor römischen Soldaten und hat rumgeschrien, einer von ihnen wollte sie umbringen.« Er hielt kurz inne. »Dann finde ich heraus, dass sie selbst nach Rom
gefahren ist. Deswegen bin ich hergekommen. Ich meine, was hättet ihr denn an meiner Stelle getan? Ich habe wirklich Angst um sie gehabt.«
»Das heißt, es gibt keine Konferenz?«, fragte Kim.
»Nein, es gibt keine Konferenz.«
»Scheiße«, sagte William leise. »Das glaube ich nicht.«
»Nein«, sagte Kim langsam, »nein. Das mit den Gespenstern hat sie nicht erfunden. Steph hat das Gespenst auch gesehen. Es existiert wirklich.«
»Römische Soldaten?« Daniel lächelte sarkastisch. »Also bitte! Aber gut, wenn ihr ihr glauben wollt.« Er leerte sein Glas und stand auf. »Ich wollte nur, dass ihr den Sachverhalt kennt und wisst, was an der Schule passiert ist. Erzählt ihr besser nichts von diesem Gespräch, das bringt sie nur noch mehr auf. Und vielleicht sollte auch Steph nichts davon erfahren. Sie würde euch sowieso nicht glauben. Aber das ist eure Sache. Ich fahre nach Hause. Eigentlich wollte ich gar nicht kommen, aber ich dachte, ich müsste nachsehen, ob Jess einigermaßen in Ordnung ist. Und jetzt kann ihr ja nichts passieren, wo ihr sie im Auge behaltet. Ich verschwinde. Es regt sie nur auf, dass ich hier bin, und ich muss auch wieder zu Nat und den Kindern. Kann ich sie euch überlassen? Vielleicht kriegt sie sich ja ein, wenn ich weg bin.« Er zuckte hilflos mit den Achseln. »Aber ich glaube, ihr solltet aufpassen. Vor allem du, William. Sie ist nicht sie selbst.
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