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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Tarotkarten, die in Europa bekannt wurden, kamen offenbar aus Italien. Das Geheimnis beim Lesen ist, mit Hilfe der Abbildungen den Kopf so zu leeren, dass er außersinnliche Eindrücke aufnimmt. Natürlich können manche Leute das besser als andere. Die standardmäßigen Bedeutungen der Karten, die in den gängigen Anleitungen stehen, sind das Papier nicht wert, auf das sie gedruckt sind.«
    William und Kim starrten sie sprachlos an. »Seit wann kennst du dich denn so gut mit Tarot aus?«, fragte Kim.
    Steph lächelte. »Vor vielen Jahren, noch an der Uni in London, habe ich mir aus Neugier mal ein Deck gekauft. Dann noch eins und ein drittes. Die Karten haben mich fasziniert,
ich habe sie überall in meinem Zimmer aufgehängt. Dann kam mich ein Freund besuchen, der fand sie grauenhaft. Sie haben ihm panische Angst gemacht. Er hat rumgeschrien, sie seien das Böse schlechthin und reiner Aberglaube, brächten Tod und Verderben. Er sagte, ich sei ein Bote des Teufels und würde in der Hölle landen. Das war natürlich das Ende der Beziehung, aber es hat mir doch zu denken gegeben. Mir ist klargeworden, dass ich die Karten rein als Kunstobjekt betrachtet hatte, als spannenden historischen Anachronismus und nicht als Mittel, die Zukunft vorherzusagen. Ich hatte auch überhaupt nicht gewusst, dass sie manchen Menschen wirklich eine Heidenangst einjagen. Also habe ich ein Seminar besucht. Ich hatte großes Glück, es hätte genauso gut ein Seminar sein können, bei dem man genau die Art des Kartenlegens lernt, die der Typ sich vorgestellt hat. Ich hätte mir ein paillettenbesetztes Kopftuch umbinden und eine der drei Hexen geben können, die von Verhängnis und dunklen Fremden wispert und kräftig dafür abkassiert. Aber so ist es nicht gekommen. Unser Dozent hat uns von der Geschichte und der Philosophie der Karten erzählt und von ihrer mystischen Herkunft in Ägypten oder irgendwo im Nahen Osten nach der Sintflut oder im alten Rom zur Zeit von Hermes Trismegistos - das weiß niemand so genau. Und er hat uns die Symbolik erklärt und beigebracht, wie wir den Kopf leeren und die Karten nach unserer inneren Weisheit deuten.«
    »Dann weißt du ja mehr darüber als Carmella!« Kim sah sie von der Seite an. »Warum hast du das nicht schon früher gesagt?«
    Steph schüttelte den Kopf. »Ich lege sie für mich, nie für andere. Manchmal benütze ich sie zum Meditieren. Dafür wählt man eine Karte und betrachtet sie unter allen möglichen Aspekten, und hinterher fragt man sich oft, warum
man ausgerechnet diese Karte gewählt hat. Manchmal hilft mir das erstaunlich gut. Eine Art Therapiesitzung ohne Therapeuten. Ich mach’s nicht besser als Carmella, sie macht es nur anders. Ihr liegt es im Blut. Das meine ich positiv. Sie deutet nicht nach einem bestimmten Muster. Ich vermute, dass sie immer schon Karten gelesen und es von ihrer Mutter oder Großmutter oder so jemandem gelernt hat.«
    Kim lächelte. »Von ihrer Großmutter. Die, nebenbei bemerkt, eine gläubige Katholikin war.«
    Steph nickte. »Es ist nicht böse.«
    »Nein, aber ich bezweifle, dass die Kirche es gut findet.«
    »Wie auch immer. Aber Carmella stimmt sich auf denjenigen ein, dem sie die Karten legt. Sie hört auf eine innere Stimme.«
    »Das heißt, der gefährliche Mann war echt und nicht ihre Reaktion auf uns andere?« William schob seinen Teller von sich.
    »Ja, davon bin ich überzeugt.«
    »Womit wir wieder bei Daniel wären.«
    »Vielleicht war es ja gar nicht Daniel, von dem sie gesprochen hat. Das ist ja das Strittige: die Interpretation dessen, was sie gesagt hat, nicht das Gesagte an sich.«
    »Ich glaube, du drehst dich jetzt im Kreis, Steph.« Gähnend stand William auf. »Entschuldigt ihr mich, wenn ich Jess’ Beispiel folge und ins Bett gehe? Die Hitze macht mir etwas zu schaffen.«
    Als er gegangen war, schenkte Kim Steph noch ein Glas Wein nach. »Hast du deine Karten dabei?«
    Steph schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht mal, wo sie sind. Wahrscheinlich liegen sie in Ty Bran in irgendeiner Schublade.«
    Kim stand auf, ging zum Sideboard und holte das Deck, das Carmella am ersten Abend verwendet hatte. Das legte
sie vor Steph auf den Tisch. »Schau doch mal, was bei dir rauskommt.«
    Wieder schüttelte Steph den Kopf. »Ich hab dir doch gesagt, für andere Leute mache ich das nicht.«
    »Das meine ich auch nicht. Nimm dir eine Karte und meditiere darüber. Über Jess.«
    Steph griff nach dem Deck, mischte es und hob ab, dann nahm sie die

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