Die Tochter des Leuchtturmmeisters
doch wohl Siri informieren, dass ihr Mann vergiftet wurde«, widersprach Karin.
»Okay. Erledigt das, schreibt einen Bericht, und dann lassen wir die Sache fallen«, sagte Carsten.
»Selbstverständlich«, stimmte Folke zu.
Karin sah ihn wütend an. Er war nicht gerade eine große Hilfe.
»Aber …«, begann sie.
»Okay, Karin, ich weiß, was du sagen willst«, unterbrach sie Carsten. »Und meine Antwort ist ja, wenn ihr etwas Zeit übrig habt, könnt ihr das weiter untersuchen.«
»Du, du kannst ruhig du sagen«, entgegnete Karin und lächelte vielsagend mit einem Blick auf Folke.
»Gut möglich, dass du recht hast, wenn du hier ein Verbrechen vermutest, und die Familie ist sicher dankbar für dein Engagement. Die Tatsache aber bleibt, dass wir hier viel zu viel anderes haben, was brandaktuell ist.« Er wies auf weitere drei Ordner, die in dem laminierten Bücherregal lagen. Karin seufzte, nahm Notizbuch und Kugelschreiber und ging. Sie war keinesfalls so sicher wie Carsten, dass die Familie ihr Engagementbegrüßen würde. Sie hatte bei Siri angerufen, um zu fragen, ob sie vorbeikommen und mit ihr reden könnten, aber Frau von Langer hatte erklärt, dass es sich heute unmöglich dazwischenschieben ließe. Karin fragte sich, was so viel wichtiger sein konnte, als Klarheit über das Schicksal ihres ersten Mannes zu erhalten.
Die Papiere zum Fall Arvid Stiernkvist zu archivieren, widerstrebte ihr, weil es noch so viele Ungereimtheiten gab. Nicht nur die Tatsache, dass Siri ihr Hochzeitsdatum vergessen hatte, das Ganze wirkte irgendwie falsch. Der blaue Ordner mit Arvid Stiernkvists Papieren schien derselben Meinung zu sein, denn er widersetzte sich, und als er endlich nachgab, landete das Register mit allen Papieren auf dem Boden. Karin sammelte sie auf und legte sie unsortiert auf einen Haufen. Danach schlug sie die Mappe auf, die ihr Carsten gegeben hatte. Ein ausländischer, freiberuflich tätiger Journalist war von seiner Freundin als vermisst gemeldet worden. Er befand sich auf einer Reise durch Schweden und schickte ihr regelmäßig seine Artikel, doch jetzt hatte sie seit drei Wochen nichts bekommen, und das war offenbar sehr untypisch für ihren Freund.
Karin versuchte wirklich, sich in den Inhalt der Mappe zu vertiefen und auch die Mails zu lesen, die Carsten hinzugefügt hatte. Wieder und wieder studierte sie dieselbe Passage, ohne sie wirklich aufnehmen zu können. Am Ende stand sie auf und ging sich einen Kaffee holen. Dort traf sie Folke.
»Frau Siri von Langer hat heute keine Zeit, uns zu empfangen«, sagte Karin und deutete eine noble Verbeugung an.
»Ach, tatsächlich«, erwiderte Folke und goss Karin und sich selbst Kaffee ein.
»Hast du einen Moment Zeit, Folke?«, fragte Karin und deutete auf ein paar Stühle im Pausenraum.
»Shoot«, sagte Folke und stellte die Kanne zurück. Aus seinem Mund klang das total verkehrt.
»Ich weiß nicht, ob ich mir das nur einbilde, aber irgendwas stimmt nicht, findest du nicht auch?«, fing Karin an.
»Carsten meinte, wir sollen die Sache fallenlassen«, gab Folke zur Antwort.
»Ja, ich weiß.« Karin trank einen Schluck. Sie hatte sich auf einen der Stühle gesetzt, aber Folke stand noch immer an der Kaffeemaschine.
»Außerdem ist es verjährt«, fügte er hinzu.
Karin stand wieder auf, nahm ihre Tasse und ging zu ihm hin.
»Jedenfalls hat uns Frau von Langer morgen um zwei eine Audienz gewährt. Hast du Lust mitzukommen?« Folke schien über die Frage verwundert, und Karin war fast selbst etwas erstaunt, weil sie ihn gefragt hatte.
»Ja, das lässt sich einrichten.«
»Nur damit du Bescheid weißt. Es kann sein, dass ich in Kungälv bei McDonald’s anhalte, um mir einen Kaffee zu holen. Du kannst dir ja überlegen, ob du das überlebst oder ob wir in getrennten Autos fahren sollen«, sagte Karin lächelnd.
»Ich werde dir den Artikel über die heutigen Gesundheitsrisiken kopieren, dann kannst du ihn selber lesen«, erwiderte Folke ernsthaft.
»Mach gleich mehrere Kopien, falls sie zufällig im Papierkorb landet«, erwiderte Karin und ging zu ihrem Schreibtisch zurück. Sie hoffte, dass Folke das Spaßhafte ihrer Bemerkung verstanden hatte.
Viermal hatte das Telefon bereits geklingelt.
»Waldemar! Waldemar, kannst du rangehen?« Wo trieb sich der Kerl nur rum? »Von Langer«, meldete sie sich schließlich. Sie hoffte, der Nagellack wäre so weit getrocknet, dass keine Kratzer zurückblieben, falls sie an den Hörer kommen
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