Die Tochter des Leuchtturmmeisters
kümmert wohl ein Hummerkorb, wenn man gerade ein Schiff, einen fast zwei Jahrzehnte gesuchten Ostindienfahrer gefunden hat? Er wandte sich stattdessen Karin zu, die sich in den Bann ziehen ließ. Die Umgebung trug wahrhaftig dazu bei. Große graue und kleinere blaue Tontöpfe standen mit knorrigen, aber erstaunlich lebendigen Pelargonien im Fenster. Karin meinte zu wissen, dass solche Gefäße einst Tee enthielten, der im 18. Jahrhundert aus China importiert worden war. Aber völlig sicher war sie sich da nicht.
Onkel Bruno weilte noch immer auf seinen Inseln.
»Mehrere der dort Ansässigen hatten erzählt, dass man nach Stürmen manchmal Silbermünzen fand, die im Felsboden festklemmten. Wie sich dann herausstellte, befand sich eine Kiste mit Silbermünzen an Bord des Schiffes. Der Deckel war seit langem verschwunden, und bei jedem heftigen Sturm waren ein paar Münzen aufgewirbelt worden. Nun liegt der Schatz im Museum von Lerwick.« Er suchte einen schwarzweißen Zeitungsausschnitt der
Shetland Times
heraus und reichte ihn Karin.
Am Ende unterbrach ihn Lycke.
»Karin ist an den Goldschiffen und der Familie Stiernkvist interessiert.«
Onkel Bruno stieß ein paar Rauchwolken aus, bevor er fragte: »Die Ermittlung auf Pater Noster, ich meine, Hamneskär, hast du damit zu tun?«
Karin nickte.
»Ist es tatsächlich Arvid Stiernkvist, den ihr dort gefunden habt?«, fragte er.
Karin bestätigte, dass dem vermutlich so war.
»Herrgott, wie ist er denn nur dort gelandet?«, fuhr er fort.
»Eine wirklich gute Frage. Wenn du irgendeine Idee hast, nehmen wir sie dankbar entgegen.«
»Aha, so steht’s. Eingemauert war er, habe ich gehört.«
Karin sah keinen Grund, mit Informationen hinterm Berg zu halten, die offenbar bereits in der Gegend kursierten, und sie bestätigte, wie man Arvid Stiernkvist auf Hamneskär gefunden hatte, eingemauert im dortigen Vorratskeller.
»Der Ärmste.«
»Es ist nicht sicher, dass er gelebt hat, als er eingemauert wurde«, sagte Karin.
»Du meinst, er war schon tot?«
»Wir wissen es nicht. Lycke hat von den Goldschiffen und der Familie Stiernkvist erzählt und gesagt, du seiest die richtige Person, mit der wir darüber reden sollten.« Karin versuchteInformationen zu erhalten, anstatt selbst die Rolle des Berichterstatters zu übernehmen.
»Die Goldschiffe, ja, und die Familie Stiernkvist. Wie viel ist dir bekannt, und was willst du wissen?«
»Alles. Ich möchte gern alles erfahren, was du weißt.« Karin hörte selbst, wie aufgeregt ihre Stimme klang, aber Onkel Bruno lächelte.
»Die Familie Stiernkvist besaß eine Firma, die Transporte übernahm. Gilbert, der Vater, hatte sie in England gegründet, und die Söhne führten sie weiter, nachdem die Familie nach Schweden gezogen war. Die Mutter war schließlich Schwedin, stammte aus Lysekil, meine ich mich zu erinnern. Gilbert hatte ebenfalls schwedisches Blut in den Adern, deshalb hieß die Familie auch Stiernkvist. Aber dann kam der Krieg, und die Schwedische Reichsbank schickte ihre Goldbarren außer Landes. Für den Fall, dass Schweden in die falschen Hände geraten sollte, wollte man die Goldreserven außer Reichweite des Feindes wissen.«
»Wo hat man sie hingeschickt?«, fragte Karin.
»Schon das allein ist eine gute Geschichte, denn die Goldbarren wurden mit dem Auto von Stockholm den ganzen Weg bis ins norwegische Bergen transportiert. Dort angekommen, wurde das Gold auf schwedische Schiffe verladen und nach New York gebracht. Kannst du dir das vorstellen? Nicht viele konnten davon gewusst haben.«
Karin nickte.
»Und sind das die Schiffe, die man Goldschiffe nennt?«
»Ja und nein. Es gibt zwei Sorten Goldschiffe. Die Firma Stiernkvist hatte die Verantwortung für den Transport der schwedischen Goldreserven. Diese Schiffe, die also das Gold nach Übersee brachten, wurden zwar Goldschiffe genannt, aber es gab auch noch eine andere Sorte, und an die denke ich in erster Linie. Viele der jüdischen Familien waren vermögend, und als man sie in die Vernichtungslager schickte, haben die Nazis dafür gesorgt, dass ihr Hab und Gut beschlagnahmtwurde. Alles, angefangen von Porzellan, Kunst und Möbeln bis zu Schmuck und Bankguthaben. Ringe und Schmuck wurden eingeschmolzen und zu anonymen Barren mit legitimen Stempeln umgeformt. Dieses geraubte jüdische Gold ging ebenfalls auf Transport, unter anderem auf dem Seeweg, und das ist die andere Sorte Goldschiffe.
Auch wenn die schwedische Regierung etwas anderes
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