Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
du auch tun, Kröte. Wir sind nämlich zu einem Festmahl eingeladen.«
»Ein Essen?«
»Der Immit hat die bedeutendsten Würdenträger der Stadt eingeladen. Riechst du es nicht?«
Maru schnupperte in die Abendluft. Es roch nach gebratenem Lamm. Jetzt merkte sie wieder, wie hungrig sie war. Appetit hatte sie allerdings keinen. Die Begegnung mit Utukku lag ihr im Magen. Was wollte er nur von ihr? Und wer oder was war Thymanbadh?
Sie hatte das Wort schon einmal gehört. Aber wo? Sie seufzte.
»Sind wir denn bedeutend?«, fragte sie.
Tasil grinste. »Ich bin lebenswichtig für den Immit. Zumindest glaubt er das. Hast du das, was du holen solltest?«
Maru übergab ihm das Stoffbündel, welches er sogleich in den tiefen Falten seines Gewandes verschwinden ließ.
»Nun komm, ich habe Hunger wie ein Wolf.«
Maru trottete hinter ihm her. Ein Essen mit Würdenträgern. Ihr fiel wieder auf, wie ärmlich ihr Gewand war, für ein festliches Essen sicher nicht angemessen. Aber das war nicht das Schlimmste. Sie blieb stehen.
»Was ist, Kröte?«
»Ich weiß nicht, wie man sich bei so einem Essen benimmt, Onkel.«
Er starrte sie an. Dass er belustigt grinste, machte es nicht besser. »Dumme Gans. Es sind Menschen wie du und ich. Und sie essen mit den Fingern wie du und ich. Halte dich an mich und tu, was ich tue. Und jetzt komm. Es ist nicht klug, einen Immit warten zu lassen.«
Ein Diener führte sie in den südlichen Teil des Palastes, in die Nähe der Wohngemächer. Maru fand diesen Teil des Bet Raik am schönsten. Hier waren die Höfe mit Beeten und Palmen geschmückt, die Säulen zierlich und die Gänge hell erleuchtet. Bunte Stoffe schmückten die Wände. In der Nähe der Hohen Kammer war alles erhaben, kalt, beeindruckend. Jeder Stein schien den Besucher daran erinnern zu wollen, dass er das Herz der Macht betrat. Dort wurde regiert und verwaltet. Hier, in den Wohngemächern, wurde gelebt.
Der heitere Eindruck verflüchtigte sich, als sie den Festsaal erreichten. Eine große Gruppe von Kriegern bewachte die Eingänge. Sie trugen die geschwärzten Waffen und Rüstungen des Immit. Es
waren mindestens zwei Dutzend, was bedeutete, dass der Immit Tasils Warnungen offenbar sehr ernst nahm. Maru sah es mit gemischten Gefühlen. Die Männer wachten dort, um das Festmahl zu schützen und damit auch sie. Aber sie waren eben auch da, um Muqtaq und seine Krieger aufzuhalten. Muqtaq, der Anführer der Leibwache des Raik, der Mann, dem sie selbst Malk Iddins Auftrag überbracht hatte. Er würde auf der Schwelle dieses Saales sterben, das war sicher. Und sie hatte ihn in die Falle gelockt. Maru fühlte sich plötzlich sehr elend.
Der Saal, den sie nun durch eine Flügeltür auf dessen Stirnseite betraten, war nicht viel kleiner als die Hohe Kammer. Er wirkte sogar etwas zu groß für das anstehende Bankett. Der Immit hatte in der Mitte des Raumes ein an einer Seite offenes Rechteck aus niedrigen Tischen und Bänken aufbauen lassen. Die Tafel bot Platz für etwa dreißig Menschen. Noch saß niemand dort. Die Bedeutendsten aus Serkesch und aus Ulbai warteten. Es waren Verwalter, Richter, Priester und Schabai. Maru erkannte die meisten aus der Hohen Kammer wieder. Es hatten sich Grüppchen gebildet. In der einen Ecke standen die Würdenträger aus Ulbai. Um die Hohepriester der Hüter hatte sich eine weitere Gruppe in der Mitte der Halle versammelt. Maru war sich nicht sicher, ob sie alle auf Iddins Seite standen. Vielleicht ergriffen sie auch nur nicht für Numur Partei. Dessen Anhänger warteten nahe des Eingangs. Viele waren es nicht: eine Handvoll Verwalter und Schabai, außerdem ein Priester des Strydh. Er war es auch, der sie annehmen ließ, dass dies Numurs Gefolgsleute waren. Der Saal war festlich beleuchtet, aber die Stimmung war gedrückt. Es lag eine Spannung in der Luft, die man fast mit Händen greifen konnte.
Genau genommen, dachte Maru, gibt es noch eine vierte Gruppe. Die bestand nämlich aus Tasil und ihr. Tasil versuchte nicht, sich einer der Parteien anzuschließen. Es gab auch niemanden, der ihn begrüßte. Maru konnte die missbilligenden Blicke und die
hochgezogenen Augenbrauen sehen, als sie eintraten. Offenbar waren der Urather und seine »Nichte« nicht sehr willkommen. Tasil schien das nichts auszumachen, aber Maru fühlte sich noch unbehaglicher als zuvor.
Jetzt betrat Immit Schaduk den Saal, und an seinem Arm schritt Umati herein. Der Immit hatte sein Gewand gewechselt. Das neue war von tiefblauer
Weitere Kostenlose Bücher