Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
Strom und seinen Tücken. Umati. Sie hatte gesehen, wo sie den Dolch versteckt hatte. Wenn sie nun neugierig geworden war?
Maru lief schneller. Sie hatte die ganze Zeit nicht mehr an den Dolch gedacht, weil einfach so viel geschehen war. Jetzt hatte sie wieder vor Augen, wie sie ihn zwischen die Wasserkrüge schob – und erwischt wurde. Er war so wertvoll, viel wertvoller als sie. Es war der Dolch mit der eisernen Klinge. Atibs Waffe war schon zwei oder drei Sklaven wert gewesen, und die war lediglich aus Bronze.
Was Tasil wohl sagen wird, wenn ich ohne … Maru wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu denken, und lief noch etwas schneller.
Endlich erreichte sie das Versteck. Die Gänge in diesem Teil des Palastes waren weit weniger belebt als die in der Nähe des Thronsaals. Das kam ihr jetzt sehr entgegen. Sie erwischte sofort einen günstigen Augenblick, in dem sie unbeobachtet zwischen die Krüge schlüpfen konnte. Ihre Hände tasteten durch die Schatten. Der Dolch war noch da! Er war in Stoff verpackt und genau dort, wo sie ihn hingelegt hatte. Umati hatte also nicht nachgesehen.
Niemand bemerkte Maru, als sie wieder zwischen den Krügen hervorkroch. Alles war gut. Sie versteckte den Dolch unter ihrem Kleid und beeilte sich, wieder zum vereinbarten Treffpunkt zu gelangen. Obwohl sie das Gefühl hatte, der Dolch würde sich riesenhaft unter ihrem Gürtel abzeichnen, wurde sie auch auf dem Rückweg nicht aufgehalten. Es wurde ihr leichter ums Herz. Tasil würde seine Waffe wiederbekommen, und schon in wenigen Stunden
würden sie aus diesem Bet Raik verschwinden. Sie konnte es kaum erwarten.
Maru erreichte den vereinbarten Treffpunkt vor Tasil. Es war einer der kleinen Höfe, von denen es in diesem Palast so viele gab. Zierliche Säulen säumten ihn, und in der Mitte plätscherte ein Wasserspiel. Das Licht der Öllampen tanzte darin. Maru setzte sich auf eine der Steinbänke, die den Brunnen umgaben. Sie musste zugeben, dass die Akkesch es verstanden, angenehme Orte anzulegen. Es war schade, dass Biredh nicht da war. Es wäre eine wunderbare Gelegenheit für eine Geschichte gewesen.
Plötzlich stellten sich ihr die Nackenhaare auf. Für einen winzigen Augenblick dachte sie, das sei der Nachtwind.
»Ich grüße dich, Maru Nehis«, wisperte da eine silbrige Stimme.
Utukku saß auf dem Rand des Brunnens. Das Wasser floss um ihn herum, nein es durchströmte ihn. Vor einer Sekunde, da war Maru sicher, war er noch nicht da gewesen. In seinen kupferfarbenen Augen spiegelten sich die Flammen der Lampen. Maru fühlte sich, als hätte sie einen Schlag in die Magengrube bekommen. Sie hatte schon beinahe vergessen, dass es ihn gab. Sie fühlte sich schwach und elend.
»Er hat die Farbe des Blutes«, sagte der Daimon.
Maru folgte seinem Blick. Er meinte offensichtlich den Mond. Sie fand, er hatte die gleiche Farbe wie Utukkus Augen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, noch nicht einmal, ob sie überhaupt mit diesem Wesen reden sollte.
»Bei diesem Mond sind sie wie Wölfe.«
»Wer?«, fragte Maru.
Utukku schien zu überlegen. »Das Wasser wird sich verfärben. Du musst mir etwas geben.«
Sie ermahnte sich, ihm zuzuhören. Was er sagte, war rätselhaft, aber es hatte immer einen Sinn. Er hat mir im Gräbertal geholfen,
rief sie sich in Erinnerung. Sie musste nur Geduld haben, dann würde sie schon verstehen, was er meinte. »Was muss ich dir geben, Utukku?«
Der Daimon legte den Kopf schief wie eine Katze und sah sie an. Maru glaubte, sie würde sein Genick knacken hören. Aber konnte das sein? Hatte er überhaupt Knochen? Das Licht flackerte rot in seinen Augen.
»Später. Es ist noch nicht vorbei«, sagte die silbrige Stimme. Utukku sprach leiser, und sie konnte durch das Plätschern des Brunnens seine Worte kaum verstehen. Und was sie hörte, verstand sie nicht. Es war wie verhext!
»Was ist noch nicht vorbei?«
Er schloss die Augen. Offenbar dachte er nach – und er ließ sich Zeit. »Thymanbadh«, sagte er schließlich.
»Wer ist das? Oder was?«
»Und der Verrat«, entgegnete Utukku.
Dann tauchte er in das Wasser des Brunnens ein und war weg. Maru sah ihn verschwinden, und das war schlechterdings unmöglich. Das Wasserspiel bestand aus einer flachen Schale, kaum eine Handbreit tief. Aber der Daimon war fort.
In diesem Moment hörte sie, wie sich Schritte näherten.
Es war Tasil,und er sah zufrieden aus. Am Brunnen tauchte er die Hände ins Wasser und wusch sich den Staub vom Gesicht. »Solltest
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