Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
führt eine Treppe nach unten. Die Wachstube ist dahinter, Muqtaqs Kammer in der Ebene darunter, junge Herrin.«
»Danke«, sagte sie schlicht.
Der Sklave sah sie irritiert an.
Maru seufzte. Es war wohl in diesem Bet Raik nicht üblich, einem Sklaven für irgendetwas zu danken. Hoffentlich hatte sie sich nicht verdächtig gemacht. »Los, lauf, sie warten sicher schon auf dich!«
Der Mann versuchte eine Verbeugung, was ihm wegen der schweren Platte nicht gelang, dann drehte er sich um und wankte ächzend davon. Maru eilte weiter. Sie musste zurück sein, bevor
Tasil auf den Einfall kam, nach ihr zu suchen – oder suchen zu lassen. Die Wachstube war nicht zu verfehlen. Ein Krieger saß auf einem Schemel vor der offenen Tür. Er schärfte mit verbissener Hingabe seine Axt. Durch die weit offen stehende Tür sah sie weitere Kämpfer. Sie waren ernst und schweigsam. Offenbar war ihnen bewusst, was ihnen in dieser Nacht bevorstand. Doch auf welcher Seite standen sie? Maru konnte Muqtaq nicht entdecken.
Hoffentlich ist er in seiner Kammer, dachte sie und nahm die Treppe hinab. Auf der nächsten Ebene blieb sie stehen. Es gab eine ganze Flucht von Türen. Zeichen nach Art der Akkesch waren über den Türsturz gemalt. Wenn sie nur lesen könnte … Aber dann fiel ihr ein, dass der Sklave gesagt hatte, Muqtaqs Kammer läge genau unter der Wachstube. Was hatte sie schon zu verlieren? Sie klopfte vorsichtig an die hölzerne Pforte.
Schwere Schritte erklangen auf der anderen Seite. Dann schwang die Tür auf. Es war Muqtaq, und er war offenbar damit beschäftigt, seine Rüstung anzulegen. Gerade war er dabei, die Lederriemen einer eisernen Armschiene zu verschnüren.
»Was willst du?«, fragte er barsch.
»Ich... ich muss dich warnen, Herr«, stieß Maru hervor.
Der Schab zog den Riemen fester und sah sie misstrauisch an. »Warnen?«
»Kann ich kurz hinein, Herr?«
Sie fühlte sich nackt und schutzlos auf dem Gang. Wenn sie jemand mit Muqtaq sah, konnte das böse Folgen für sie haben. Der Schab zögerte, dann trat er einen Schritt zur Seite, und sie schlüpfte in die Kammer. Es war ein sehr bescheidener Raum. Eine zerfetzte Fahne, vielleicht ein Ehrenzeichen aus einer früheren Schlacht, hing an der Wand. Das war der einzige Schmuck. Es gab einen Tisch, Stühle, ein Bett, auf dem jetzt eine stattliche Anzahl von Waffen, ein Helm und ein Brustpanzer lagen.
»Ich höre«, sagte er.
Maru wusste nicht, wie sie beginnen sollte. Sie hatte keine Gelegenheit gehabt, darüber nachzudenken. »Vielleicht erinnerst du dich. Ich bin das Mädchen, das dir in der Hohen Kammer den Ring Iddins übergab«, platzte sie endlich hinaus.
»Ich weiß. Du bist die Nichte des Urathers, sagt man.«
»Das stimmt, Herr.«
»Und wovor willst du mich warnen?«, fragte er und wirkte sehr ernst.
Kein Wunder, bei dem was er vorhat, dachte Maru. »Sie … sie wissen es.«
Der Schab sah sie nachdenklich an. Dann nickte er, so als habe er das fast erwartet. »Was genau wissen sie?«
»Dass du heute nach Mitternacht versuchen wirst, Numur zu töten, Herr. Du und deine Männer.«
Der Schab griff zu seiner zweiten Armschiene und begann, auch diese anzulegen. »Und woher wissen sie das?«, fragte er.
Maru schluckte. Mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet. Reichte es nicht, dass sie ihn gewarnt hatte? Sie konnte doch Tasil nicht verraten! »Sie wissen es eben... Vielleicht ein Verräter.«
»Meine Männer würden mich nie verraten, nicht an Numur, nicht nach dem Gemetzel im Gräbertal«, erklärte Muqtaq ruhig.
Maru schielte zur Tür. Vielleicht musste sie rennen. »Ist das nicht unwichtig? Sie wissen es jedenfalls, und sie erwarten dich und deine Leute.«
Der Schab fädelte in aller Ruhe die ledernen Bänder in die Ösen. »Wenn sie es wissen, sind sie schlecht vorbereitet. Sie haben nur zwei oder drei Eschet vor der Kammer der Feste aufgestellt. Damit können sie uns kaum aufhalten.«
»Aber in den anderen Kammern, rundherum, da sind noch viel mehr Krieger des Immit.«
Der Schab hielt inne. Nachdenklich betrachtete er das Lederband in seinen Fingern.
»Wie viele?«, fragte er ruhig.
»Sehr viele! Viel, viel mehr als vor der Kammer«, sagte Maru. »Ihr dürft nicht angreifen. Ihr würdet alle sterben.«
Der Schab schaute ihr in die Augen. Sie hielt dem durchdringenden Blick nicht lange stand und senkte verlegen den Blick. »Für ein Mädchen bist du erstaunlich gut unterrichtet.«
»Ihr dürft nicht angreifen!«, flehte Maru noch
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