Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
Wieso kam es da auf ein wenig Asche an? Sie ließ sich von Tasil aufs Pferd ziehen. Er schnalzte mit der Zunge, und sie verließen die Felsbucht. Echs Pferd sah ihnen mit hängendem Kopf hinterher.
Als sie wieder auf offenem Gelände waren, lenkte Tasil das Tier nach Westen. Schweigend ritten sie durch die Nacht. Maru betrachtete den roten Mond. Vielleicht gab es dort oben im Himmel doch Vorzeichen, auch wenn Jalis, der Maghai, es nicht geglaubt hatte. Strydhs Sichel, wie Tasil den Mond genannt hatte, war ihrem Namen auf jeden Fall gerecht geworden. Der Kriegsgott konnte mit den Ereignissen dieser Nacht zufrieden sein. Maru schloss die Augen. Sie wollte von all dem nichts mehr sehen und hören. Tasil ließ das Pferd Schritt gehen. Auch er wirkte erschöpft. Die Stille um
sie herum wirkte bedrückend. Da war nur der eintönige Hufschlag ihres Tieres, der von den dunklen Felsen widerhallte. Rechts lag endlose Wüste.
Doch irgendwann ertrug Maru das Schweigen nicht mehr. »Onkel, warum... warum hast du die Hakul nicht … Ich meine: Warum hast du ihre Dolche nicht genommen?«
Tasil ließ sich mit seiner Antwort Zeit. »Es wäre nicht klug gewesen«, sagte er schließlich.
»Warum?«
»Vielleicht kommst du selbst noch darauf, Kröte. Diese Nacht ist noch nicht zu Ende.«
Maru seufzte und klammerte sich fester an Tasil. Natürlich hatte er noch etwas vor. Als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, hatte sie gehofft, es sei vorbei, sie sei der andauernden Gefahr entronnen. Diese Hoffnung war zerstoben. Plötzlich beschlich sie ein seltsames, ungutes Gefühl. Irgendetwas in ihr warnte sie. Es war etwas, das tief in ihrem Inneren saß. Angst. Sie hatte in den vergangenen Stunden und Tagen oft Angst verspürt, doch dieses Gefühl war anders, und es war stark. Es schnürte ihr den Hals zu. Irgendetwas Schlimmes stand ihnen bevor.
Tasil hielt das Pferd an und musterte die Felsen. Er schien etwas Bestimmtes zu suchen. Maru blickte sich daraufhin ebenfalls um. Da war nichts außer den Hügeln und der weiten, wüsten Ebene. Tasil wurde unruhig, er trieb das Pferd wieder voran, zögerte, ritt ein Stück zurück.
»Wir sind da«, sagte er plötzlich.
Maru fragte sich, was das Besondere an dieser Stelle war. Sie sah nichts, was diese Felsen von den anderen unterschieden hätte. Dann entdeckte sie einige Sträucher, die zwischen den Steinen wuchsen. Sträucher dieser Art hatte sie auf dem ganzen Ritt noch keine gesehen.
Tasil lenkte das Pferd dicht an die kargen Pflanzen heran. »Steig ab, Maru.«
Sie sprang ab, und er tat es ihr gleich.
»Malk Iddin«, rief er leise, »Malk Iddin.«
Nichts rührte sich.
»Malk Iddin, ich bin es, Tasil aus Urath.«
Einige Steinchen sprangen den Hang hinab. Da oben bewegte sich jemand. Jetzt konnte Maru ihn sehen. Es war ein Mann, der zwischen einigen Felsvorsprüngen vorsichtig nach unten kletterte.
»Hast du Wasser?«, rief er noch auf halbem Weg.
»Ja, Herr, ich habe Wasser.«
»Den Hütern sei Dank!«
Iddin rutschte jetzt eilig den Hang hinab und landete unbeholfen vor ihren Füßen. Er klopfte sich den Staub aus dem Gewand, und Tasil reichte ihm den Wasserbeutel.
»Ah, danke!«, sagte der Malk und trank mit langen, gierigen Zügen.
Eine ganze Weile war nichts anderes zu hören als Iddins Trinkgeräusche. Schließlich setzte er den Beutel ab. »Wer hätte gedacht, dass man so durstig werden kann?«
»Es tut mir leid, Herr, dass ich daran nicht gedacht habe, ich hätte sonst versucht, früher zurückzukehren.«
Iddin winkte ab. »Lassen wir das. Was gibt es Neues in meiner Stadt?«
»Ich muss dir sagen, Herr, dass sie noch nicht die deine ist«, begann Tasil.
Iddin seufzte. »Du hast dem Immit mein Angebot überbracht?«
»Natürlich, Herr, doch er hat es abgelehnt.«
Maru blickte überrascht auf. Von welchem Angebot sprach Iddin? Tasil hatte bislang kein Wort darüber verloren.
»Er hat es abgelehnt? Aber ich war bereit, mich auf Gedeih und Verderb seinem Urteil zu unterwerfen!«
»Ich habe deine Botschaft Wort für Wort wiederholt, Herr, in der Hohen Kammer, vor den Großen der Stadt, doch er hat verlangt, dass du gefangen und in Ketten vor ihn gebracht wirst.«
Maru konnte ihren Ohren nicht trauen. Nichts von dem, was Tasil sagte, war wahr!
»In Ketten ?«, rief Iddin empört.
»Schaduk scheint deinem Bruder sehr zugetan zu sein, Herr. Denk dir, er hat ihm seine Tochter zur Frau versprochen!«
»Weiß er denn nicht, was Numur
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