Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
kehrte schneller. Wenn sie sich beeilte, würde sie fertig sein, bevor er zurückkehrte. Dann konnte sie sich wenigstens noch ein wenig ausruhen. Nicht einmal schlafen – nur ein bisschen ruhen.
Sie kehrte den Bereich, den sie abgeschätzt hatte, zweimal, obwohl sie immer noch am Sinn zweifelte. Sie konnte nicht anders. Wenn sie etwas tat, musste es gründlich erledigt werden. Anschließend zog sie sich zur Pforte zurück und setzte sich. Nur ruhen, nicht einschlafen, ermahnte sie sich. Es war still. Die Sterne blinkten von einem makellosen Nachthimmel. Es war etwas kühler geworden, was hieß, dass der Morgen näher rückte. Alles wirkte so friedlich. Es schien ihr auf einmal unvorstellbar, dass vor nicht einmal einer Stunde ein Mann an dieser Stelle gestorben war. Nicht irgendein Mann, ein Malk! Nun, vielleicht war es nicht unvorstellbar, nur seltsam unwirklich und sehr, sehr weit weg. Es war wie ein böser Traum. Der Mond stand tief. Bald würde er im Westen versinken. Er hatte seine rote Farbe verloren und sah jetzt viel freundlicher aus. Sie schlief ein.
Die Käfer waren zurück. Sie stürmten aus der Dunkelheit auf sie ein. Eine ganze Welle schwarzes Ungeziefer brauste heran, schlug über ihr zusammen und drückte sie in die Tiefe. Dann veränderte sich alles, die Käfer wechselten die Farbe, verloren ihre Form, zerflossen. Die Woge verebbte, und Maru trieb schwerelos auf einem blutroten Fluss. Am Ufer waren Körper angespült worden. Sie sah Atib, Muqtaq, Malk Iddin, die Söhne des Yaman, die Krieger aus dem Gräbertal. Sie lagen ausgestreckt und tot am Ufer, und dahinter ragte der Tempel des Strydh in den fahlen Himmel. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie stromaufwärts trieb. Das rote Wasser sprang aus einem Brunnen, der dort in den Felsen gehauen war. Da stand der blinde Biredh und wusch sich die leeren Augenhöhlen aus. Ein gelber Schmetterling saß auf seiner Schulter. Dann fiel ein langer Schatten auf sie. Mit einem unirdischen, schleifenden Geräusch erhob sich eine Gestalt mit kupferfarbenen Augen aus der Schale des Brunnens, sah sie an und sagte: »Maru, du faule Kröte, wach auf!«
Sie schreckte hoch. Ein schwarzer Schatten stand vor ihr, ein finsterer Umriss vor dem dunklen Nachthimmel. Es war Tasil, kein Daimon. Sie kam mühsam auf die Beine. Er sah sie prüfend an, schüttelte den Kopf, dann drückte er ihr eines der Essenspakete in die Hand. »Hier, geh in den Gang und iss, du wirst noch Kraft brauchen. Ich kümmere mich um den Sand.«
Verwirrt nahm Maru das Schilfpäckchen entgegen. Sie spürte einen Luftzug und drehte sich um. Hinter ihr stand der Geheimgang offen. Das schleifende Geräusch, das sie in ihrem wilden Traum gehört hatte, stammte also vom Öffnen der Pforte. Tasil verwischte mit einem dürren Zweig hastig die frischen Hufspuren seines Pferdes. Warum machte er das selbst? Das Paket in ihren Händen roch nach Lamm. Ihr wurde auf einmal bewusst, wie hungrig sie war. Sie stolperte müde in den Gang, wie Tasil befohlen hatte,
lehnte sich an die kühle, steinerne Wand und verschlang ihre Mahlzeit.
Tasil folgte ihr bald und brachte das Pferd mit.
»Du willst mit dem Pferd durch den Berg, Onkel?«, fragte Maru verwundert mit vollem Mund. Sie kaute noch am letzten Stück Lamm.
»Nein, ich will mit dem Pferd in den Berg. Es ist zu gefährlich, es hier draußen stehen zu lassen.«
»Aber der Gang ist so niedrig.«
»Er wird weiter hinten höher. Warte, ich mache uns Licht.« Tasil entzündete einen Zweig des Busches. Das Pferd wurde unruhig und scheute vor der Flamme zurück. »Sieh dort an der Wand nach, dort müssten Lampen stehen.«
Dann sprach er beruhigend auf das Tier ein.
Maru fand tatsächlich zwei bronzene Lampen auf einem Felsabsatz. Sie sahen alt aus. Maru schüttelte eine und stellte erstaunt fest, dass tatsächlich reichlich Öl darin war. Bald leuchtete eine kleine Flamme vom Docht der Flamme. Sie gab nicht viel Licht, doch es genügte. Maru und Tasil folgten dem schmalen Gang einige Schritte – und blieb überrascht stehen. Sie hatten eine große Höhle erreicht. »Was ist das für ein Ort?«
Tasil zog das widerstrebende Pferd in die Höhle. »Ich nehme an, dass Wasser das hier geformt hat. Vielleicht hatte hier einst der ausgetrocknete Bach seinen Ursprung.«
»Du meinst, die Alfholde Skalwala hat hier gelebt?«
Tasil lachte laut. »Sicher nicht, Kröte. Das war doch nur eine Geschichte, die sich der alte Märchenerzähler ausgedacht hat.«
»Ich glaube
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