Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
über den Rücken. Sie versuchte, das kalte Gefühl abzuschütteln, und lief weiter.
Das Tor zur Tempelstadt war rot wie der ganze steinerne Ringwall. Es war schlicht gehalten. Über dem Durchgang war eine Steintafel angebracht, auf der einige große Zeichen eingemeißelt waren. Sie fragte einen einsamen Wachposten, der auf der Brüstung saß und vor sich hindöste.
Er stand langsam auf, legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Tafel. »Es ist die Schrift der Akkesch.«
»Das kann ich mir denken, doch was steht dort geschrieben?«
Der Posten kratzte sich verlegen am Hinterkopf. »Das kann ich dir nicht sagen.«
»Du weißt nicht, was dort geschrieben steht?«
»Es hat mich noch nie jemand danach gefragt. Es steht eben da, und zwar schon solange ich denken kann.«
Hinter dem Tor, das das Bukru-Tor genannt wurde – das wusste der Wächter -, lagen beiderseits eines schmalen Weges die größten Gebäude, die Maru je gesehen hatte. Zu ihrer Rechten türmte sich Stockwerk auf Stockwerk. Prachtvolle Simse, kräftige Pfeiler und schmale Fenster lockerten diesen Berg an Ziegeln auf. Farbige Muster zogen sich über die Fassade und ließen die wuchtigen Mauern beinahe leicht aussehen. Zu ihrer Linken gab es nur eine lange, glatte und hohe Ziegelmauer mit roten Streifen. Der kurze Weg führte in die Mitte des Tempelbergs. Dort hatten die Akkesch mit glatt behauenen und verschiedenfarbigen Steinen einen großen
Platz angelegt. Er lag menschenleer unter der gleißenden Nachmittagssonne. Nur ein Hund jagte halbherzig ein paar Tauben nach. Das Pflaster bildete ein Muster von geraden Linien, das wie die Strahlen der Sonne von einem hohen und schlanken Stein in der Mitte des Platzes ausging. Dieser Stein war hellgrau, und rote Zeichen nach Art der Akkesch waren in ihn hineingeschnitten. Es musste die Edhil-Säule sein, dem höchsten und ersten aller Götter geweiht. Die Budinier hatten so einen Stein außerhalb von Akyr aufgestellt. Der war völlig schmucklos, dennoch war die Ähnlichkeit für Maru unverkennbar.
Das Gebäude zur Rechten, das auch die Rückseite des Platzes einnahm – mit den verwirrend vielen Treppen, Absätzen, Simsen und Stockwerken -, war zweifellos der Palast des Raik. Eine breite Treppe führte einige Stufen hinauf. Es schien dort einen weiteren freien Platz zu geben, eine Art Terrasse, die dem eigentlichen Palast vorgelagert war. Im Vergleich zu diesem Gebäude war der Dhangar von Akyr eine armselige Hütte. Er war noch vielfach größer als das Dorf, in dem Maru geboren war, und bot sicher Platz für mehrere hundert Bewohner. Maru war beeindruckt. Sie verspürte einen starken Drang, einfach hinaufzulaufen, um dieses Wunder näher zu betrachten, aber die Wachen, die auf den Stufen standen und sie anstarrten, sahen nicht sehr freundlich aus. Sie trugen Speere mit wertvollen Eisenspitzen. Maru riss sich von dem Anblick des Palastes los. Sie hatte schließlich einen Auftrag, und hier gab es noch mehr zu bestaunen.
Die Südseite des Platzes gehörte dem Stufentempel der Hüter. Auch hier war Maru die Bauweise aus ihrer Heimat vertraut. Doch der Schirqu von Akyr war aus Holz und Lehm, und es gab nur einen einzigen Raum im Erdgeschoss, den sich die Hüter teilen mussten. Er war weit von jener Kunstfertigkeit entfernt, die sie hier entdeckte. Die lange Mauer mit den roten Streifen, die an den Torweg grenzte, umfasste den Sockel. Die oberen Stockwerke
waren jeweils vier bis fünf Schritte zurückgesetzt. Es gab vier Stockwerke, für jeden der erstgeborenen Götter eines. Auch wenn Maru beinahe nichts von Baukunst wusste, so sah sie doch die strenge Harmonie, der diese Mauern folgten.
Auf dem Sockel, der natürlich Brond gehörte, ruhte das Stockwerk der Alwa, von einer Doppelreihe blauer Steinen geschmückt. Die obere Reihe war durchbrochen. Es erinnerte von Ferne an Wellen. Ihrer Schwester Hirth war die nächste Stufe geweiht. Senkrechte dunkelgrüne Linien zierten die Außenwand. Sie schienen wie Säulen aus Schilf das oberste Stockwerk zu tragen. Dort musste der Heilige Raum des Fahs zu finden sein, einzelne weiße Sterne leuchteten von den Ziegeln. Eine einzige steile Treppe führte hinauf. Die Eingänge lagen rechts und links davon.
In Akyr durften nur die Priester und Tempeldiener das heiligste Innere betreten, denn nur sie waren rein. Die arbeitenden, schwitzenden Menschen durften nur einen kleinen Vorraum betreten, aber keinesfalls mit ihren Ausdünstungen die Hüter beleidigen. Ihre
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