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Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin

Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin

Titel: Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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die Opferfeuer für den Raik sind entzündet. Kommt, reiht euch ein! Tragt Sorge, dass unser Herr mit Ehren aufgenommen wird in Ud-Sror!«
    Das war das Zeichen, dass die Versammlung beendet war. Junge Priester öffneten die Tore der Tempel für die Opferwilligen.
    Tasil hatte offenbar keine Lust, der Einladung zu folgen. Er packte Maru an der Schulter und zeigte auf den Stab, der sich immer noch Richtung Unterstadt bewegte. »Siehst du den Stab? Du musst den Träger für mich verfolgen, ohne dass er dich sieht, kannst du das?«
    Maru nickte. So etwas hatte sie noch nie gemacht, aber wie schwer konnte das sein?

    »Du darfst ihm auf keinen Fall zu nahe kommen, denn dieser Mann kann dich spüren, ohne dich zu sehen, verstehst du?«
    »Nein«, sagte Maru.
    Tasil schüttelte den Kopf, so als könne er ihre Dummheit nicht fassen. »Er ist ein Maghai, einer der alten Zauberer aus den Sümpfen. Die sind gefährlich. Gib also auf deine Schritte acht, Mädchen.«
    Er griff in eine der verborgenen Taschen auf der Innenseite seines Umhangs und zog einen kleinen Fladen Brot heraus. Die Menge strömte in die Tempel. Niemand achtete auf den Mann und das Mädchen, die auf dem Schiqur standen und offenbar etwas Essbares teilen wollten. Tasil nahm das Stückchen in beide Hände, murmelte eine kurze Beschwörung, spuckte auf das Brot und drückte es Maru in die Hand.
    Sie nahm es zögernd entgegen. »Was ist das, Onkel?«
    »Der Maghai wird einen Ort brauchen, an dem er ungestört ist. Ein eigenes Haus wahrscheinlich, vielleicht geht er aber auch hinaus in die Wildnis. Du folgst ihm. Sobald er sein Ziel erreicht hat, isst du dieses Brot!«
    »Dieses?« Es war noch feucht.
    »Hast du noch anderes?«
    »Und dann?«
    »Das wirst du schon sehen.«
    »Und was machst du, Onkel?«
    »Das geht dich nichts an. Und jetzt lauf, bevor der Maghai dir entwischt!«

Die Nacht des Maghai
    Als das Heer des Fürsten die Stadt Ulbai belagerte, wurde es von Geisterwesen angegriffen. Doch Etellu ermahnte die Seinen: »Blendwerk ist dies, geschaffen durch die Maghai. Dies hat keine Macht über uns.« Und Etellu stellte sich vor das Heer, und die Wesen wurden an seiner Größe zunichte. So geschah es, und die Stadt fiel.
     
Etellu Kaidhan , Vom Marsch der Akkesch
     
     
    Als Maru endlich die dicht gedrängte Menschenmenge hinter sich hatte, war es nicht mehr schwer, dem gefiederten Stab des Maghai zu folgen. Sie achtete sehr auf Abstand. Tasil hatte sie vor dem Zauberer gewarnt, doch das war gar nicht nötig gewesen. Jedes Kind wusste, dass Maghai Menschen in Mäuse verwandeln konnten. Außerdem konnten sie Dörfer verschlingende Flussechsen beschwören. Darüber wusste man an jedem Herdfeuer von Akyr zu erzählen. Die Maghai waren Halbdaimonen, Kinder von Hexen und Seeschlangen. Sie wurden im Nebel der Sümpfe gezeugt, und sie konnten sich nach Belieben wieder in Nebel verwandeln. Sie mieden die Menschen und gingen geheimen Geschäften nach. Maghai konnten heilen, aber sie konnten vor allem verderben. Sie waren mächtig, und sie konnten sehr hilfreich sein, aber es war gefährlich, sie um etwas zu bitten, denn sie forderten stets einen hohen Preis. Es hieß, der Flussgott Dhanis selbst sei ihr Stammvater und die Maghai einst die Herren des Landes gewesen. Meist blieben sie ein Gerücht, das weit im Süden seine Heimat hatte, in den düsteren Sümpfen des Wasserlands Awi. Manchmal aber wurden sie auch auf den Weiden der Budinier gesehen. Es hieß, sie schlichen nachts um die Dörfer, um Kinder zu rauben. Es gab
so viele düstere Geschichten über sie, dass sie einfach wahr sein mussten . Auf jeden Fall war es klug, sich von ihnen fernzuhalten.
     
    Der gefiederte Stab bog jetzt von der Hauptstraße ab. Maru rannte zur Ecke und spähte in die Nebenstraße. Die Dämmerung hatte eingesetzt. Der Weg wurde schmal und verlor nach wenigen Schritten seine gerade gezogene Richtung. Die Serkesch neigten offenbar dazu, Wege als Baugrund zu nutzen. Die Straße schrumpfte zur Gasse und schlängelte sich zwischen Häusern und Anbauten hindurch. Die Sonne stand schon tief, und dichter Schatten lag in der Gasse. Außer dem Maghai war niemand zu sehen, nur einige Hühner scharrten im Sand. Maru folgte dem Mann in gehörigem Abstand. Es erschien ihr unnatürlich ruhig. Sie wunderte sich, dass in einer so großen Stadt keine Kinder in den Straßen spielten. Vielleicht war das während der Trauerzeit verboten? Oder vielleicht spielten sie anderswo, an freundlicheren Orten.

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