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Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin

Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin

Titel: Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Nach einer Weile bemerkte sie, dass es doch Leben hinter diesen Mauern gab. Es verstummte, wenn sie sich näherte, und es schien sich erst wieder bemerkbar zu machen, wenn sie es hinter sich gelassen hatte. Dann wurde ihr klar, dass es nicht an ihr lag. Es war der Maghai. Es war, als würde er von einer Welle des Schweigens begleitet. Maru schauderte, und sie wünschte sich, Tasil wäre in der Nähe.
    Es war dunkel in der engen Gasse. Die fensterlosen Mauern der Häuser waren in die Höhe gewachsen und ließen nicht viel Platz für den Himmel. Wo es ein zweites Stockwerk gab, ragte es meist über die Straße, manchmal so weit, dass es das Haus auf der gegenüberliegenden Seite berührte. Von Zeit zu Zeit kreuzten andere Wege die Gasse. Diese hatten eine gepflasterte Rinne in der Mitte. Diese Wege mussten demnach Richtung Fluss nach Süden führen. Der Maghai ging also nach Osten. Er ging weder besonders schnell, noch besonders langsam, hielt nicht an, und er drehte sich auch nicht einmal um.

    Maru wagte sich allmählich näher heran. Sie hatte noch nie einen Maghai gesehen. Eigentlich hatte sie sich einen Zauberer anders vorgestellt, größer, Ehrfurcht gebietender. Der Mann trug einen knöchellangen braunen Mantel, der an den Schultern mit Wolfspelz besetzt war. Sein Haar war ungezähmt, eine wahre Löwenmähne. Er war nicht sehr groß, etwas untersetzt. Ein halbes Dutzend Federn von Raubvögeln und Krähen baumelte an der Spitze seines gebogenen Stabes.
    Es wurde jetzt schnell dunkel, das Licht in den Gassen immer ungewisser. Zweimal bog der Maghai in noch schmalere Seitengassen ab, und beide Male fürchtete Maru, sie könne ihn verlieren, aber sie hatte Glück und holte immer wieder auf. Die Gegend wurde ärmlicher, die Hütten kleiner und schäbiger. Der Weg war inzwischen nicht mehr als ein Trampelpfad, der sich zwischen schiefen Lehmmauern hindurchwand. Schließlich erreichte der Maghai einen kleinen Platz, eine Wegkreuzung, mit einem Brunnen in der Mitte. Es war ein einfaches Loch im Boden, das mit zwei Reihen Lehmziegeln eingefasst war, aber wohl der Grund, warum der Ort von der Bauwut der Serkesch verschont blieb. Ein hölzerner Deckel, der den Schacht sonst verschlossen hielt, war achtlos an die Ziegel gelehnt, ein Ledereimer lag daneben.
    Die Nacht war hereingebrochen. Maru musste sich anstrengen, um überhaupt noch etwas zu erkennen. Die Hütten an diesem Platz waren niedrig, die Mauern unregelmäßig. Keine hatte ein zweites Stockwerk, und Maru sah weder Fenster noch Türen, nur Trittsteine, die als Leiterersatz dienten. Sie kannte diese Bauweise aus ihrem Heimatdorf. Dort war es ein Ring von Häusern gewesen, mit nur einem einzigen Einlass zum Platz in der Mitte. Die Hütten waren nur über eine Luke im Dach zu betreten. Wer hineinwollte, brauchte eine Leiter. Das war eine einfache Verteidigungsmaßnahme in unsicheren Zeiten.
    Der Maghai ging über den Platz, aber am Brunnen blieb er
plötzlich stehen. Er hob den Kopf und sog prüfend die Luft ein. Langsam drehte er sich um. Maru drückte sich schnell in eine Mauerspalte zwischen zwei Häusern. Sie wartete mit wild klopfendem Herzen. Hatte er sie entdeckt? Tasil hatte sie gewarnt. Hatte der Maghai ihre Anwesenheit etwa gespürt? Sie lauschte, irgendetwas näherte sich – aber es war nur ein streunender Hund, der in den Ecken schnüffelte. Als sie sich endlich wieder aus ihrem Versteck wagte, war der Zauberer verschwunden.
     
    Maru lief auf den Platz, der verlassen im Sternenlicht lag. In einiger Entfernung flammten Fackeln auf. Dort musste sich die Stadtmauer befinden, wo jetzt Wachen auf und ab gingen. Maru hatte nicht gedacht, dass sie so nah war. Sie spähte in die kleinen Gassen, die von dem Platz ausgingen, fand aber keine Spur vom Maghai. Sie lief erst ein Stück in die eine, dann in eine andere – nichts. Er war verschwunden. Aus den Häusern drangen jetzt mehr und mehr Geräusche. Es war, als hätten die Bewohner von Serkesch auf den Anbruch der Nacht gewartet, um die Stadt erwachen zu lassen. Mütter schimpften, Kinder weinten, Männer fluchten oder lachten. Offenbar verlagerte sich das Leben auf die Dächer. Fackeln und offene Feuer streuten rötliches Licht in den Nachthimmel. Es roch nach gebratenem Lamm.
    Maru spürte plötzlich ihren Hunger. Sie hatte seit dem Mittag nichts mehr gegessen. Aber das war unwichtig. Wo war der Maghai? Sie lauschte. Es war seltsam, das Stadtviertel war voller Leben, aber keines der vielen Geräusche schien

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