Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
Gedanke ist naheliegend«, bestätigte Aryak, »und wir sandten natürlich Krieger in diese Richtung. Aber ich konnte nicht glauben, dass die Grabschänder es uns so leicht machen würden. Sie waren grausam, aber nicht dumm. Wenn sie geschickt genug waren, Elwah und die seinen im Schlaf zu überraschen, würden sie da einfach immer geraden Weges durch die Wüste fliehen? Vor
uns, den Reitern der Hakul? Also ließ ich Curru, unseren Seher, den Sand und die Bussarde befragen. Sie enthüllten ihm, dass die Räuber sich nach Süden gewandt hatten. Wir folgten ihnen und wirklich, wir fanden ihre Spur wieder. Sie waren sogar so kühn, unsere Weidegründe zu streifen, wo sie von Hirten gesehen wurden. Es waren ein Mann aus dem Süden und ein Junge, der auf einem schwer beladenen Packpferd saß. Doch ihre Spur war nun schon beinahe kalt, und an den Ausläufern des Glutrückens verloren wir sie wieder.«
»Und da haben euch die Bussarde zu uns geschickt?«, spottete der Immit.
Der Yaman ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Drei Wege stehen dem Reisenden dort offen, wenn er nicht verdursten will. Entweder nach Süden zu den Wasserstellen der Romadh, wieder durch die Slahan zum Dhanis oder hierher – nach Serkesch.«
Maru wusste, welchen Weg der Mann genommen hatte. Sie wusste es ganz genau.
»Ein solcher Mann ist hier nicht angekommen«, verkündete der Immit mit Bestimmtheit.
»Reitet er zu den Romadh«, sagte Yaman Aryak ruhig, »so holen ihn die Männer meines Bruders ein. Kommt er zum Dhanis, so hat er wieder zwei Möglichkeiten. Flussaufwärts kann er den Strom nur bei Scha-Adu, der Stadt vor den Stromschnellen, überqueren. Dort warten bereits Männer meines Stammes auf ihn. Oder er kommt flussabwärts – hierher. Ist er hier, so werde ich ihn finden, ist er noch nicht da, so wird er bald kommen. Er wird eine Stadt suchen, denn er hat reiche Beute, die er verkaufen muss.«
»Vielleicht hat ihn aber auch längst der Sand verschlungen. Am Glutrücken sind schon ganze Heere verschwunden.«
»Es ist wahr, die Slahan ist dort besonders tückisch. Doch Curru hat den Sand und den Wind befragt, und der Wind sagt, dieser Mann wird hierherkommen, auf dem einen oder dem anderen Weg.«
»Und nun willst du hier auf ihn warten. Mit deinen Männern? In meiner Stadt?«
»Wir werden unser Lager vor der Stadt aufschlagen. Ich erbitte von dir nur die Erlaubnis, die Reisenden durchsuchen zu dürfen.«
Der Immit schüttelte den Kopf. »Ich kann keinem Hakul erlauben, Einwohner unseres Reiches anzuhalten oder zu durchsuchen. Und ich will keine Zelte der Hakul vor meinen Mauern sehen.«
Maru hörte die Männer um sich herum flüstern. Der Immit hatte Serkesch seine Stadt genannt. Das beschäftigte sie weit mehr als das, was die Hakul verlangten. Sie selbst fühlte sich elend und leer. Tasil hatte Gräber ausgeraubt und Männer im Schlaf getötet. Und er stand so ungerührt neben ihr, als hätte er mit all dem nichts zu tun.
»Ich weiß nicht, warum eine so große Stadt Angst vor unserem kleinen Lager haben sollte«, sagte Aryak, »doch wenn es so ist, muss ich es hinnehmen. Sag mir dann eines, Immit: Wenn dieser Mann durch die Tore deiner Stadt tritt, wirst du ihn an uns ausliefern? Wirst du diesen Frevler an uns übergeben, damit wir ihn angemessen bestrafen können? Und bist du bereit, darauf einen Eid im Angesicht der Hüter zu leisten?«
Der Immit zögerte. Der Yaman der Hakul hatte es nicht ausgesprochen, aber diese Frage enthielt ein »Oder«. Jeder im Saal hatte dieses unausgesprochene Wort gehört. Es war leicht, sich auszurechnen, was es bedeutete. Würde der Immit den Hakul helfen, oder würde er einen Angriff herausfordern? Maru lauschte gebannt. Sie hatte fast vergessen, dass das alles auch sie betraf! Schaduk wirkte unschlüssig, er fasste mit seiner Linken die Hand seiner Frau, die auf seinem rechten Arm ruhte, so als wollte er sie um Unterstützung bitten. Wenn er wusste, dass Tasil der Gesuchte war, dann war es unwahrscheinlich, dass er seinetwegen einen Krieg mit den Hakul wagte. Aber wusste er es? Maru sah Malk Numur und Abeq Mahas. Beide hielten sich im Schatten hinter dem Thron. Sie
flüsterten aufgeregt miteinander. Stritten sie über Tasils Schicksal? Sie ahnte, was er gemeint hatte, als er davon sprach, sich bei dem Malk und dem Priester unentbehrlich zu machen. Sie fragte sich, was er ihnen angeboten hatte. Es musste ungeheuer wertvoll sein, sonst würden die beiden sicher nicht zögern, ihn zu
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