Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
verraten. Hing jetzt sein – und ihr – Leben davon ab, wie diese Männer sich entschieden?
Plötzlich ertönte ein zorniger Schrei. Er wurde von Ebu ausgestoßen, einem der Söhne des Yaman. Mit schnellen Schritten stürmte er durch den Saal, packte einen Mann am Kragen und zog ihn nach vorne. Es war Atib der Händler, der viel zu überrascht war, um Widerstand zu leisten. Ebu griff ihm an den Gürtel, riss etwas heraus und hielt es triumphierend in die Höhe.
Es war eine Hakul-Klinge. In ihrem Griff schimmerten feine Silberfäden. Es war eine sehr kunstvolle und markante Arbeit, die leicht ihre zwei oder drei Sklaven wert war.
Fakyn und andere versuchten, den Händler aus dem Griff des jungen Kriegers zu befreien. Die anderen Hakul sprangen Ebu bei, und so wurde Atib von beiden Seiten gepackt und hin und her gezerrt. Dabei wurde gezetert, geschlagen und gestoßen. Immit Schaduk war von seinem Thron aufgesprungen und befahl Ruhe, doch niemand hörte auf ihn. Er schickte seine Speerträger aus, die Streitenden zu trennen, aber die vergrößerten das Chaos zunächst noch.
Maru hielt sich die Ohren zu. Sie wollte von all dem nichts hören und sehen. Was für eine Dummheit von Atib, diese auffällige Waffe offen zu tragen! Und sein unglaublicher Leichtsinn brachte Tasil und sie in höchste Gefahr. Atib war kein tapferer Mann. Er würde alles tun, um seine Haut zu retten. Sie waren verloren! Tasil stand direkt neben ihr. Jetzt wirkte selbst er beunruhigt.
»Aufhören!«, brüllte Schaduk immer wieder, aber es dauerte, bis sich die Streithähne soweit beruhigten, dass seine Befehle Gehör
fanden und die Krieger des Immit die Parteien auseinander bringen konnten. Mit den Schäften ihrer Speere hielten sie beide Seiten auf Abstand. Zwischen den Streitenden kauerte Atib auf dem Boden. Sein Gewand war zerrissen, sein Gürtel verschwunden und sein Haar zerrauft. Über seinen Kopf hinweg wurden Beleidigungen und Flüche gerufen.
»Was hat das alles zu bedeuten, Yaman?«, fragte der Immit mit scharfer Stimme, als sich der Tumult endlich gelegt hatte.
Yaman Aryak hielt den Dolch in die Höhe: »Dies ist die Klinge von Elwah, dem Träumer. Ich war dabei, als sein Vater sie ihm schenkte, und würde sie unter tausend anderen wieder erkennen.«
»Ich kann die Wahrheit dieser Worte bestätigen«, fügte Curru hinzu.
Der Immit setzte sich wieder. Das Sonnenlicht umhüllte ihn. Sein hagerer Schädel wirkte durch die harten Schatten wie ein Totenkopf. Er lehnte sich zurück, schwieg eine Weile, um über das Gehörte nachzudenken, und sagte dann ganz ruhig: »Nun, Atib, Händler des Utu-Hegasch, du hörst, was die Hakul sagen. Wie kommst du an diese Waffe?«
Atib erhob sich ächzend von den Knien, ordnete mit fahrigen Bewegungen seine zerrissenen Kleider und lächelte unsicher. »Herr, was soll ich sagen, es sind Hakul. Geborene Lügner, wenn du mich fragst.«
Ebu und Ech rissen wütend ihre Dolche aus den Scheiden, aber ihr Vater hielt sie zurück.
»Woher hast du diese Waffe, Atib?«, wiederholte der Immit die Frage.
»Ein Reisender … Ein Reisender hat sie mir geschenkt. Am Ufer des Dhanis. Ich habe ihn an unserem Mahl teilhaben lassen, und zum Dank schenkte er mir diesen Dolch.«
»Ah, ein Geschenk …«
Atibs Blicke schossen unruhig hin und her. »Ich weiß, Herr,
das ist kaum zu glauben, denn dieser Dolch ist sehr viel wert.« Er lachte nervös. »Ich glaube, er wollte meine Gunst erkaufen, denn später, da fragte er mich, ob ich ihn nicht über den Fluss bringen könnte, ihn, seinen Begleiter und sein Pferd, seine Pferde. Ich aber lehnte ab, denn das Schiff war voll beladen, und für Reittiere war kein Platz.«
»Und dann?«
»Dann sagte er, er wollte sein Glück stromaufwärts versuchen, bei der Stadt Scha-Adu.«
»Und den Dolch verlangte er nicht zurück?«
»Nein, Herr, wie hätte er ihn auch zurückfordern können, er war ein Geschenk.«
Schaduk legte die Fingerspitzen aneinander. »Du hast recht, Atib, das ist wirklich kaum zu glauben.«
Maru hielt die Geschichte des Händlers für nicht einmal schlecht, dafür, dass er nur wenige Sekunden Zeit gehabt hatte, sich etwas auszudenken. Wäre sie nicht selbst dabei gewesen, sie hätte ihm geglaubt.
Der alte Hakul flüsterte seinem Fürsten etwas ins Ohr, und Yaman Aryak wandte sich an Schaduk. »Wie du weißt, Immit, ist Curru unser Seher. Er sieht, was uns verborgen ist, und er erkennt, ob ein Mensch die Wahrheit spricht. Curru sagt, dass dieser Mann
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