Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
für den es ihm deutlich an Übung fehlte, und winkte Maru zu sich heran. Maru folgte dieser Aufforderung mit weichen Knien. Der Abeq kam ihr entgegen und beugte sich, immer noch lächelnd, zu ihr hinab. Wie hatte Tasil das gemeint, dass sie es selbst glauben müsse?
»Nun, mein Kind«, begann der Abeq, »weißt du, wer und was ich bin?«
Maru nickte. »Abeq Mahas«, sagte sie. Sie hatte einen Kloß im Hals und musste sich räuspern.
»Sehr richtig, Kind, ich bin ein Priester. Ich diene Strydh, und ich diene Utu. Was du mir sagst, ist, als würdest du es diesen Göttern selbst sagen – und du weißt doch sicher, dass man die Götter nicht belügen darf, oder?«
Er sprach mit ihr, als sei sie ein kleines Kind, lächelte und durchbohrte sie gleichzeitig mit dem Blick seines einen kalten Auges. Maru nickte wieder. Natürlich, wenn sie die anderen überzeugen wollte, dann musste sie sich erst selbst überzeugen. So, als wollte sie den Stimmenzauber anwenden. Nur dass sie hier nicht einen verunsicherten Mann, sondern einen ganzen Saal voller Feinde überzeugen musste, und das, ohne jemanden zu berühren.
»Also, mein Kind, hab keine Angst, was immer du sagst, dir wird nichts geschehen«, versprach der Priester.
Maru glaubte ihm kein Wort. Wenn herauskam, dass sie Umati geholfen hatte, würde sie sterben. Und Tasil und vielleicht auch die Söldner gleich mit. So einfach war das.
Der Abeq fuhr fort: »Warst du am Zwinger? Hast du der Gefangenen den Speer gegeben? Vielleicht ohne Arg und böse Absicht?«
Maru sah ihn an. Streng genommen musste sie nicht einmal lügen, sie hatte Umati ja nur die Speerspitze gegeben, nicht die ganze Waffe. Das war Haarspalterei, aber es half ihr. Sie sammelte sich und sagte mit klarer und ruhiger Stimme: »Nein, ehrwürdiger Abeq, ich habe der Frau keinen Speer gegeben.«
»Ah, ich verstehe«, sagte Abeq Mahas freundlich. »Lass mich anders fragen: Hast du ihr sonst in irgendeiner Weise geholfen? Warst du am Zwinger, wie der Hakul gesagt hat?«
Maru war der festen Überzeugung, dass man nicht lügen durfte. Es war falsch. Außerdem waren Lügen tückisch, und oft machten sie alles nur schlimmer. Aber hier ließ es sich kaum vermeiden. Sie wollte nicht sterben. Und der Abeq hatte mit dem Lügen angefangen, als er behauptete, ihr würde nichts geschehen. Sie versuchte, ruhig zu werden. Sie musste es sehen. Das war das Geheimnis: Sie musste ein Bild vor ihrem inneren Auge haben. Tasil hatte ihr das nur unvollkommen erklären können: Du musst bereits sehen, wie es geschieht, hatte er gesagt, als er sie in das Geheimnis der Stimme einweihte. Und so war es. Sie brauchte ein klares Bild, dann konnte sie einen Menschen mit der Stimme dazu bringen, es Wirklichkeit werden zu lassen. Sie hatte gesehen, wie der Schab mit seiner Eschet abzog, lange bevor es geschah. Und dann war es so gekommen. Doch das hier war etwas völlig anderes. Sie sammelte sich. Und dann sah sie sich selbst am Ufer, wie sie Ulat half, und Bolox. Es war so deutlich, als würde es gerade geschehen.
Sie sah den Abeq frei und offen und ein bisschen verwundert an, legte alle Kraft, die sie hatte, in ihre Stimme und sagte: »Nein, Herr, ich war nicht dort, ich habe ihr nicht geholfen.« Und als sie das Echo ihrer Worte in der Halle hörte, da hätte sie es beinahe selbst geglaubt.
Der Abeq sah sie verwirrt an. Natürlich, er war davon ausgegangen, dass sie schuldig war und im Auftrag ihres Onkels gehandelt hatte. Jetzt war diese Überzeugung ins Wanken geraten. Alldhan Numur wirkte ebenfalls verunsichert. Das überhebliche Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. Viele Männer im Saal sahen einander an. Maru bemerkte überrascht, dass sie ganze Arbeit geleistet hatte: Wer Zweifel an ihrer Unschuld gehabt hatte, war nun überzeugt, und wer vorher von ihrer Schuld überzeugt gewesen war, hatte nun Zweifel. Selbst Yaman Auryd wirkte verunsichert. Er blickte seinen Mann fragend an. Doch der schüttelte unwillig den Kopf, trat einen Schritt vor und sagte: »Ich, Enydh von den Hakul, sage, dass dieses Mädchen lügt. Ich sah sie am Zwinger der Gefangenen, und ich sah, dass sie sich dort zu schaffen gemacht hat.«
Fast. Maru hatte es fast geschafft, alle im Saal von ihrer Unschuld zu überzeugen. Doch dieser Mann wusste es besser.
»Bezichtigst du meine Nichte einer Lüge, Hakul?«, fragte Tasil ruhig.
»Ja, Urather, genau das tue ich!«
»Aber wenn du sie beschuldigst, beschuldigst du auch mich, Mann«, sagte Bolox und
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