Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
Sie meinte zu hören, wie ein Stück Fels von der Insel abbrach und über die Flanke des Eilands in die Tiefe polterte.
»Die Bestie ist draußen, jenseits dieser dicken Mauern. Wir sind in Sicherheit«, sagte Tasil heiser. Es klang nicht sehr überzeugt. Das Geräusch verebbte, die Schwingung des Bodens unter ihren Füßen hörte auf. Sie standen aber immer noch wie erstarrt und lauschten. Die Insel. Maru hatte sich bislang gar keine Gedanken über die Gestalt dieses Eilands gemacht. Sie waren von alten Mauern umgeben. Es gab gar keine Insel. Sie standen in einem uralten, versunkenen Gebäude!
Von oben ertönte ein heiserer Schrei.
»Das war Ulat«, flüsterte Bolox.
»Du verräterischer Hund«, hallte die Stimme des Akkesch die Treppe hinunter.
»Der Iaunier!«, rief Tasil.
Sie hasteten nach oben, Bolox und Tasil vorneweg. Als Maru den Tempelraum erreichte, war es schon zu spät. Sie sah Ulat in seinem Blut liegen, er hielt das Schwert, das seinen Rücken durchbohrt hatte, noch umklammert. Meniotaibor war fort. Und mit ihm die goldene Schlange. Hatte er es wirklich geschafft, das ungeheuer schwere Bildnis zu bewegen? Tasil und Bolox waren schon an der Tür, sie hetzten hindurch – und prallten zurück. Wieder ertönte ein Schrei, gefolgt von einem lauten Poltern und einem erstickten Stöhnen. Maru erstarrte, dann sah sie, wie ein menschlicher Körper die Treppe hinunterstürzte, mit grotesk verrenkten Gliedern im Vorraum aufschlug und bis zur Tür rollte. Es war Meniotaibor, und er war tot.
»Greift sie euch, Männer, lasst keinen am Leben! Der Alldhan will ihre Köpfe!«, rief eine Stimme von oben.
Fakyn! Numurs Männer hatten sie gefunden!
»Das Mädchen, schont das Mädchen«, schrie eine schrille Stimme.
Hana!
Tasil zog dem gefallenen Iaunier das Schwert aus dem Gurt und versuchte, die Tür zu schließen, aber dann sprang er zurück. Von oben dröhnte Kampfgeschrei die Treppe hinab. Sie kamen.
»Zurück! Wir müssen zurück!«, brüllte Tasil.
Bolox schüttelte grimmig den Kopf.
Der Dakyl war humpelnd im Tempel angekommen. Er nahm seinen Wurfspeer, holte aus und stieß einen scharfen Pfiff aus. Bolox sprang zur Seite. Der Spieß sauste durch die Luft, flog durch die Tür und fand offenbar sein Ziel, denn ein Mann schrie auf. Vylkas bückte sich, hob den Schild und den langen Speer des Akkesch vom Boden. Er bedeutete Maru mit einem Wink seines Kopfes, hinter ihn zu treten. Der Ansturm von Fakyns Männern war kurz ins Stocken geraten.
»Auf, ihr Feiglinge! Wollt ihr denn ewig leben?«, dröhnte Fakyns Stimme durch den Treppenschacht.
Speerträger rückten Schild an Schild durch die Tür. Dort sahen sie sich Bolox gegenüber. Seine Axt kreiste und zerschmetterte den Schild des ersten. Tasil war plötzlich an seiner Seite und hieb auf die Angreifer ein, die erschrocken zurückwichen. Aber sie waren in einer misslichen Lage, denn ihre Kameraden hinter ihnen drängten nach. Es gab kein Zurück. Sie versuchten, die Verteidiger mit ihren langen Speeren von der Schwelle zu vertreiben, doch die Nachfolgenden behinderten sie, und sie konnten ihre Waffen nicht so handhaben, wie es nötig gewesen wäre. Die Ersten fielen, die Nächsten ersetzten sie. Vylkas war jetzt auch an der Tür. Mit dem mächtigen Schild des Akkesch stemmte er sich gegen die Menschenflut. Numurs Männer wurden verwundet, stürzten, einige starben, aber es waren viele. Speerstöße prasselten auf den Schild des Dakyl ein, bis er plötzlich zerbrach. Vylkas wich humpelnd zurück, die Türschwelle war verloren. Die Männer Numurs stürmten in den Tempel. Ihr Angriff war ungeordnet, aber es sah aus, als würde die reine Zahl dieses Gefecht entscheiden. Maru verfolgte es wie im Traum. Sie sah Blut, verwundete Männer, einen wild lachenden Bolox und einen verbissen um sich schlagenden Tasil. Und plötzlich waren die Feinde überall. Ein Axtkämpfer griff sie an. Maru hatte es gar nicht gemerkt, aber sie hielt ihren Dolch schon in der Hand. Sie sah das wutverzerrte Gesicht ihres Gegners, der auf sie losstürmte. Wusste er, dass er ein Mädchen angriff? Oder war er so im Kampfesrausch, dass er auf solche Feinheiten gar nicht mehr achtete? Er schlug zu, verfehlte Maru, schrie auf und klappte zusammen. Offenbar hatte ihn jemand am Bein verwundet. Maru bemerkte, dass etwas Warmes ihre Hand hinablief. Es war Blut von ihrem Dolch. War sie das gewesen? Wieder griff sie jemand an. Sie wich aus, stach zu, verfehlte ihr Ziel und sprang zur Seite.
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