Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
plötzlich inne. Temu war hinter ihr in die Schmiede eingetreten. »Du willst mir doch gar nichts tun, Kullu. Und deinem Schwager erst recht nicht«, sagte Maru langsam. Und wie heißer Atem flüsterte dem Schmied die Zauberstimme zu, dass Brond dieses undenkbare Verbrechen verabscheuen und ihn dafür schreckliche Qualen leiden lassen würde. Kullu starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Du musst es sehen . Es war gefährlich, aber sie versuchte, Tasils Lehrweisheit anzuwenden. Vor ihrem inneren Auge sah sie den Schmied, der an der riesigen Esse seines Gottes stand und diese mit seiner rechten Hand leicht berührte. »Lass ab«, sagte sie leise.
Mit einem Schrei ließ Kullu seine Kohlenschaufel fallen und glotzte ungläubig auf seine vier Finger. Sie waren mit Brandblasen überzogen.
»Was hast du getan?«, schrie Temu seinen Schwager aufgebracht an.
Der stammelte unverständliches Zeug. Nur etwas, das klang wie Kaschakku , war zu verstehen.
»Der Wassereimer steht dort, Schmied«, sagte Maru. Sie fühlte sich plötzlich müde und leer. Es kostete Kraft, die Gabe anzuwenden.
Der Mann ging stöhnend in die Knie und hielt seine Hand ins Wasser. Er wimmerte und warf Maru hasserfüllte Blicke zu.
»Mein Schwager, der Mann meiner einzigen Schwester, ich kann es nicht begreifen!«, rief ein erschütterter Temu.
Maru versuchte, ihn zu beruhigen. »Vielleicht war es unsere Schuld. Wir hätten ihn nicht alleine lassen dürfen. Das Gold, das Eisen. Eine große Versuchung für einen so schwachen Menschen«, sagte sie ruhig.
»Man sollte ihm dafür die Hand abhacken, nicht bloß einen Finger«, zürnte der Schreiber. »Er wollte dich bestehlen!«
Maru wusste, dass der Schmied nicht nur vorgehabt hatte, sie zu bestehlen. Kullu hatte es gesagt: Der Dolch war mehr wert als seine ganze armselige Schmiede.
»Ich glaube, es genügt, wenn er für immer die Stadt verlässt, nicht wahr?«, meinte sie nur. Der Schmied blickte verängstigt zu ihr auf und nickte eifrig.
»Am besten sofort«, rief Temu. »Er soll mir aus den Augen gehen! Und nicht wagen, noch einmal mit meiner Schwester zu sprechen.«
»Das wird er nicht, oder?«
Der Schmied schüttelte den Kopf, die Augen zu Boden gerichtet.
Maru hielt inne. Von draußen wehte der Klang vieler Hörner über die Stadt.
»Was bedeutet das?«, fragte sie.
Temu lauschte, dann antwortete er: »Es ist das Zeichen Uschparus. Der Immit verlässt die Stadt.«
Die Pläne der Mächtigen
Es gibt mehr kluge Pläne als Füchse auf dieser Welt.
Kydhisches Sprichwort
Maru nahm den Dolch an sich und verließ die Schmiede, ohne den völlig verstörten Kullu noch eines Blickes zu würdigen. Sie fragte sich, ob das nicht vielleicht ein Fehler war. Jetzt war er verletzt und verängstigt, aber später? Was würde er tun, wenn er den Schock überwunden hatte? Wenn er die Stadt nicht verließ, würde ihm das eine oder andere zu Ohren kommen. Kaschakku. Der Klang dieses Wortes verfolgte sie immer noch. Der Schmied konnte gefährliche Schlussfolgerungen daraus ziehen. Und so, wie die Stimmung in der Stadt war, würde man ihm jede Lüge glauben, die er über die Fremde erzählen mochte. Das konnte übel für sie enden. Und für Temu auch.
»Wie hast du das eben gemacht?«, fragte der Schreiber, als sie durch die Straße der Schmiede liefen. Sie folgten dem Strom der Menschen, die alle sehen wollten, wie Immit Uschparu aus der Stadt zog, um endlich Frieden zu schließen.
Maru zuckte mit den Achseln. »Es war wie bei dem Wächter am Kydhischen Tor, vielleicht etwas stärker«, antwortete sie.
Temu hielt sie an. Er war schon wieder außer Atem. »Etwas? Weißt du«, flüsterte er, »wenn ich nicht von dieser Geschichte mit deinem Vater wüsste, dann würde ich auch glauben, du seist eine …«
»Sprich es bitte nicht aus«, unterbrach ihn Maru. »Ich bin nicht, was sie sagen. Soweit ich weiß, besitzen die … Bösen Frauen solche Kräfte gar nicht. Und ich hoffe, du weißt, dass ich meine Gabe nicht einsetze, um Böses zu tun.«
»Ja, das sehe ich jetzt«, murmelte ein nachdenklicher Temu. »Du warst viel zu nachsichtig mit diesem ehrlosen Schuft. Aber sag, wo gehen wir jetzt eigentlich hin?«
Eine berechtigte Frage. Maru hatte sich ihre Gedanken gemacht, vorhin, als sie endlos lang den Blasebalg getreten hatte. Sie hatte immer noch keine Ahnung, was der Daimon vorhatte und warum er sich den ganzen Tag nicht gezeigt hatte. Sie war zu dem Schluss gekommen, dass es vorerst
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