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Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte

Titel: Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Sollten sie wirklich vor einem Richter landen, nun, dann war immer noch Zeit, die Gabe einzusetzen. Sie liefen lange durch das Bet Kaidhan, aber der Weg führte nicht treppab. Also war wohl nicht der Kerker das Ziel, denn der würde doch sicher in den unteren Stockwerken zu finden sein. Überhaupt war diese Verhaftung eigentümlich. Sie wurden nicht gefesselt, wie es sonst geschah, wenn man Verbrecher vor einen Richter schleifte, ja, Tasil wurde noch nicht einmal aufgefordert, seinen Dolch abzugeben. Das alles war seltsam und rätselhaft. Die Akkesch waren gefürchtet für ihre strengen Gesetze, und in Ulbai waren sie jetzt besonders hart, denn es war Krieg und die Stadt von Feinden belagert. Sie warf einen Seitenblick zu Tasil. Er schien sich von der
Anstrengung des Zaubers erholt zu haben. Und auch den Fehlschlag hatte er wohl verdaut. Vermutlich machte er sich seinen eigenen Reim auf die Ereignisse dieses Morgens. Je länger sie durch das Bet Kaidhan liefen, desto gelassener blickte er drein. Sie überquerten noch einen weiteren Hof, als ihnen ein seltsamer Zug begegnete. Es waren sieben Männer, die von einer Eschet Krieger abgeführt wurden. Vier sahen wie Fischer oder Seeleute aus, denn sie waren mit dem kurzen rockartigen Sker gekleidet, den diese Leute zu tragen pflegten, die anderen schienen aus weiter Ferne zu stammen. Sie waren nackt bis auf einen Lendenschurz und einen Schwertgurt, an dem jedoch die Waffe fehlte. Sie sahen erschöpft aus. Maru las noch etwas aus ihren Blicken. Diese Männer mussten Furchtbares erlebt haben. Das Entsetzen stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie sah ihnen nach, bis sie verschwunden waren, und prallte auf Tasil, der unvermittelt stehen geblieben war, denn ihr eigener Marsch endete plötzlich vor einer hohen Pforte.
    »Wartet hier«, befahl der Verwalter und verschwand im Inneren des Gebäudes.
    »Was hat das zu bedeuten, Onkel?«, fragte Maru leise.
    Tasil zuckte mit den Achseln und ließ seinen Blick nachdenklich über die Mauern schweifen. »Ich weiß es nicht, Kröte, aber ein Gericht ist das hier jedenfalls nicht.«
    Maru folgte seinem Blick und entdeckte Schriftzeichen über dem Eingang. Eines erkannte sie wieder. Sie hatte es gerade vorhin erst gesehen, auf der Tafel über den Bannfluch, die Temu ihr vorgelesen hatte. Es waren zwei lange stehende Linien, gekrönt von drei kurzen. Das Zeichen für Etellu, den ersten Kaidhan des Reiches. Bevor sie Tasil diese Entdeckung zuflüstern konnte, öffnete sich die Pforte, und der Verwalter winkte sie heran. Auf der Schwelle hielt er sie noch einmal auf. »Zeigt Demut, Sterbliche, denn nun tretet ihr unter die Augen Kaidhan Luban-Etellus, Herr des Reiches und Nachkomme von Göttern.«

    Maru schluckte. Seit vier Monden war sie nun in der Stadt, aber noch nie hatte sie den Kaidhan gesehen. Sie drängte sich unwillkürlich dichter an Tasil heran. Der lang gestreckte Saal, den sie nun betraten, war von der strengen Schlichtheit, die die Akkesch so liebten. Schmucklose Säulen trugen eine hohe Decke, die an ihrem hinteren Ende zum Himmel geöffnet war. Unwillkürlich dachte Maru an die Regenzeit. Es musste hineinregnen in diesen Saal. Aber das war nur ein kurzer Gedanke, denn Marus Aufmerksamkeit wurde von der steinernen Statue gefesselt, die unter dieser Öffnung thronte. Sie glich keinem Götterbildnis, das sie kannte. Das war weder Brond, der Hüter des Feuers, noch Fahs, der Hüter der Winde, und schon gar nicht der alte Vater Dhanis. Es war ein Mann, der eine große Schale in den Händen hielt, was Maru einleuchtete, denn so konnte er den Regen auffangen. Sein ernstes Haupt wurde gerade von den ersten Strahlen der Morgensonne berührt. Die allgegenwärtigen Fliegen, die sein Haupt umschwirrten, wirkten in diesem Licht wie tanzender Goldschmuck. Außer der offenen Decke gab es keine Fensteröffnungen. Dämmerlicht erfüllte den Saal. Zu Füßen des Gottes waren einige schemenhafte Gestalten zu Gange. Offenbar bereiteten sie gerade ein Opfer vor.
    »Du also bist Tasil aus Urath?« Ein Mann trat mit diesen Worten aus dem Halbdunkel hervor. Er war in ein prachtvolles, blaues Gewand gekleidet und trug eine schwere, goldene Halskette. War das Luban-Etellu? Er sah aus, wie Maru sich einen hohen Fürsten immer vorgestellt hatte, würdevoll, mit einem langen, schwarzen Bart, der in kunstvolle Locken gedreht war. Stolz sprach aus seinen Augen.
    »Der bin ich, Herr«, antwortete ihm Tasil schlicht.
    »Und die junge Frau dort, wer ist

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