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Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte

Titel: Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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heiser.
    »Macht euch bereit, Brüder«, sagte Hardis leise. Aber Agir und Gybad griffen nicht zu den Rudern. Keiner von ihnen konnte ein Auge von dieser Karawane wenden. Die Kästen mussten schwer sein, denn die Rücken der Männer waren gebeugt, und ihr Stöhnen verband sich mit dem Ächzen des hölzernen Bauwerks. Kasten auf Kasten schafften sie zum Damm. Als sie den ersten abstellten, hatte der letzte das Ufer noch nicht verlassen.
    »Gut, Männer, wenn es so weit ist, dann lasst das Silber stehen. Wir können nicht alles nehmen, aber Bernstein und Gold allein werden uns reich machen«, flüsterte Tasil. Seine Stimme klang immer noch belegt.
    »Weißt du, wie viel …?«, begann Hardis, aber er beendete seine Frage nicht.
    Tasil hatte sich das alles wohl schon oft genug durchgerechnet: »Es sollten vier Kisten mit Gold, acht mit Eisen und drei mit Bernstein sein, wenn sie das Maß nicht geändert haben. Fällt euch Eisen in die Hände, so müsst ihr es auch nicht stehen lassen. Aber haltet zuerst Ausschau nach Gold und Bernstein!«, mahnte er.
    »Und die Erwachte? Wann wird sie nun erscheinen?«, fragte Hardis leise.
    Tasil kam nicht zu einer Antwort.
    »Sie ist da«, flüsterte Maru. Die Kälte, die sie immer spürte, wenn die Erwachte in der Nähe war, griff eisig nach ihrem Rückgrat.
    Am Ulbaitai-Ufer stieß jemand einen Schrei aus. Maru spürte, wie das Boot unter ihr von einer leichten Welle angehoben wurde. Ein leises Ächzen durchlief die neue Brücke. Und dann erhob die Awathani ihr Haupt aus dem Strom. Es war, wie Tasil es vorhergesagt
hatte. Sie erschien oberhalb der Brücke, also musste sie ihren mächtigen Leib wirklich durch den Kanal gezwängt haben. Warum hatte das nur niemand bemerkt? Sie sah, wie die Erwachte ihren schwarzen Kopf höher und höher hob. Das Wasser rann in Strömen von ihrem Haupt. Am Ufer, auf dem Damm und auf der Brücke herrschte lähmendes Entsetzen. Die Awathani bewegte sich langsam, aber niemand nutzte die Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen. Sie alle starrten dieses schwarze, turmhohe Geschöpf an – bis es sich wieder in einer beinahe sanften Bewegung fallen ließ. Der mächtige Kiefer öffnete sich gerade weit genug, um mit einer schnellen Bewegung drei der Träger zu erfassen und emporzureißen. Drei gellende Schreie ließen Maru erstarren. Und hunderte entsetzte Rufe folgten. Die Awathani bäumte sich weit auf, und dann zerschmetterte sie mit einem einzigen Kopfstoß die Brücke auf einer Länge vieler Schritte. Männer und Kisten wurden hochgeschleudert, und Maru sah Silberbarren durch die Luft fliegen. Die Brücke zitterte, wankte. Einige der Männer, die noch auf den schwankenden Bohlen standen, ließen die Kisten fallen und versuchten, ans Ufer zu rennen, andere sprangen in den Fluss. Das Wunderwerk der Serkesch, die neue Brücke, gebaut an nur einem Tag, schwankte, ihre Balken ächzten, und dann gaben ihre großen Holzpfeiler nach, und sie fiel in einer trägen Bewegung auf ihrer ganzen Länge in sich zusammen. Die Awathani verschwand unter Wasser.
    »Brandpfeile, Brandpfeile, ihr Dummköpfe«, brüllte eine wütende Stimme. Das war Schab Upnu. Die Gruppe auf dem Damm war vor Schreck erstarrt. Die Kriegerpriester hatten ihre Schwerter gezogen, und die Leibwächter Numurs hielten ihre mächtigen Doppeläxte in den zitternden Fäusten, als könnten sie mit diesen Waffen etwas gegen die uralte Seeschlange ausrichten.
    »Jetzt?«, fragte Hardis unruhig.
    Der Fisch schaukelte heftig in den Wellen, die dem Angriff der Erwachten folgten.

    »Noch nicht«, antwortete Tasil kaltblütig.
    Die Awathani blieb verschwunden. Aber ihr einmaliges Auftauchen hatte genügt, um den meisten Männern am Fluss jeden Mut zu rauben. Ihre Erstarrung hatte sich gelöst, und Maru sah sie davonrennen, die Ulbaitai ebenso wie die Serkesch. Nur die Tapfersten hielten die Stellung am Ufer – oder die, die nicht anders konnten, wie jene Unglücklichen auf den Schiffen. Ihre Schabai brüllten Befehle an die Ruderer, aber auch die waren wie gelähmt, und so trieben Schilfboote und Schiffe langsam flussabwärts, während ihre Besatzungen ängstlich in das schwarze Wasser starrten, um nach ihrem Verhängnis Ausschau zu halten. Und das Verhängnis kam. Agir entdeckte die Welle, die sich stromaufwärts schob, als Erster. »Seht!«, rief er aufgeregt. Und sie sahen. Mit den Augen verfolgten sie die Welle, die schnell den Fluss hinaufschoss, genau auf eines der treibenden Schilfboote zuhielt, wuchs

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