Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
zupfte.
»Was ist, Kröte?«, fragte er leise.
»Ich spüre etwas.«
»Die Erwachte?«, fragte Tasil besorgt.
»Nein, ich glaube nicht. Es ist ähnlich, aber anders.«
Hulqu war nicht entgangen, dass sie miteinander flüsterten. »Was gibt es?«, fragte er.
»Nichts weiter, edler Schab. Meine Nichte fragt nur, wie weit es noch ist.«
»Nicht mehr weit, Bote, den Hütern sei Dank.«
Plötzlich knackte irgendwo ein Ast. Der Schab hob die Hand als Zeichen zum Halt, und die Männer gingen in Kampfstellung. Sie drängten sich hinter ihren Schilden zusammen und sicherten den Pfad nach beiden Seiten. Maru und Tasil fanden sich plötzlich von schwitzenden Männern eingekeilt. Sie nahmen ihren Auftrag, sie zu beschützen, offensichtlich ernst. Tasil quittierte es mit einem belustigten Grinsen. Nichts geschah, aber der Schab hielt immer noch die Hand zum Zeichen der Kampfbereitschaft erhoben.
»Ich glaube nicht«, sagte Tasil nach einer Weile, »dass dieser morsche Ast vorhatte, uns anzugreifen. Auf jeden Fall wäre er auch kaum ein Gegner, denn ich vermute, das Alter hat ihn für uns besiegt
und gerade vom Stamm gebrochen. Vielleicht ist aber auch nur ein Wildtier darauf getreten.«
»In der Nähe des Lagers gibt es schon lange kein Wild mehr«, erwiderte der Schab tonlos.
»Nun, da ich dennoch nicht davon ausgehe, dass die Bäume uns feindlich gesonnen sind, schlage ich vor, dass du uns endlich zu unserem Boot bringst. Wir haben einen eiligen Auftrag, tapferer Krieger.«
»Und es ist mein Auftrag, euch sicher dorthin zu bringen, Fremder«, antwortete der Krieger und machte keine Anstalten, seine Leute wieder in Bewegung zu setzen.
Marus innere Unruhe wuchs. Doch nichts rührte sich, und schließlich gab der Schab das Zeichen zur Entwarnung. Die Krieger nahmen Marschformation ein und setzten sich wieder in Bewegung. Plötzlich, bevor sie selbst wusste, warum, rief Maru laut »Vorsicht!« und riss Tasil zur Seite.
Ein lautes Krachen ertönte über ihnen. Der Schab und seine Leute starrten entsetzt nach oben. Ein mächtiger Ast brach von einer Weide und stürzte auf den Pfad hinab. Die Krieger stoben schreiend auseinander. Hätte Maru sie nicht gewarnt, hätte er viele von ihnen töten können. Maru fand sich mit Tasil in einer Dornenhecke wieder und wusste selbst kaum, wie sie dahin geraten war. Sie wollte aufstehen, doch Tasil hielt sie zurück. Er hatte seinen Dolch in der Hand und beobachtete den Pfad. Die Krieger tauchten fluchend im Buschwerk und in den Brennnesseln auf, einige hatten Schilde und Speere fortgeworfen und suchten nun panisch danach. Der Ast war stark und jung und sicher nicht von selbst gefallen. Maru hob ihren Blick zur Weide. Ein Schemen löste sich dort oben aus den Schlagschatten, landete weich im Schilf, verschwand und tauchte zwischen zwei Kriegern wieder auf. Der erste war tot, bevor er seinen Schild heben konnte. Maru wollte eine Warnung rufen, doch brachte sie kein Wort heraus.
War das ein Mensch, der dort tötete? Der zweite Krieger hob seinen Speer wie zur Abwehr, doch erstarrte er mitten in der Bewegung und glotzte das Geschöpf nur noch entsetzt an. Im ungewissen Spiel von Licht und Schatten konnte Maru das Wesen nicht deutlich sehen. Es war menschenähnlich, doch grau wie der Schlamm des Flusses, die Haut mit schrecklichen Zeichen bemalt. Und es war bewaffnet, mit einem langen Dolch, den es dem zweiten Speerträger mit einer schnellen Bewegung in die Brust rammte und wieder herausriss, noch bevor der Mann zu Boden sank. Dann stieß es einen hellen Schrei aus und verschwand im Schilf. Maru sah noch kurz das lange, schlammverkrustete Haar des Wesens, dann war es verschwunden. Die ganze Sache schien nur einen Augenblick gedauert zu haben.
»Sammeln!«, brüllte der Schab. Seine Krieger lösten sich aus ihrer Erstarrung und drängten sich wie eine Herde Schafe auf dem Pfad zusammen.
Tasil half Maru aus den Dornenranken heraus und steckte seinen Dolch wieder weg. »Wollt ihr den Feind nicht verfolgen?«, fragte er den Schab.
Der sah ihn an, so als habe er verlangt, die Awathani anzugreifen. »Verfolgen? Dies ist kein menschliches Wesen! Unsere Waffen richten nichts gegen diesen Daimon aus.«
Maru zog sich Dornen aus dem Gewand und runzelte die Stirn. Ein Daimon? Das konnte sie nicht glauben. Auch Tasil wirkte nicht überzeugt. »Was für ein Daimon oder Alfskrol soll das gewesen sein, Mann? Es benutzt Waffen, und das ist nicht die Art dieser Wesen, soweit ich weiß.«
»Und doch
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