Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
glaubte, das schützte ihn vor der Rache jenes Daimons, den er mit uns bannen wollte. Doch mit Silber, Nehis, konnte es nicht gelingen. Der Bann war schwach. Es wundert mich nicht, dass jener wieder umgeht und
nach Kraft sucht, um ihn endgültig zu brechen. Ich fürchte, er hat schon ein wenig davon gefunden, ist es nicht so?« Er sah Maru durchdringend an, doch sie konnte nicht antworten.
»Aber genug jetzt, ich sehe, dass es dich quält, über diesen Alfskrol zu sprechen. Es scheint, er versteht sich auf Bannsprüche besser als unsereins.«
»Der Mond ist verschwunden«, warf Umati ein, »es ist schon weit nach Mitternacht. Wir müssen uns eilen, wenn wir im Schutz der Dunkelheit über den Fluss wollen.«
Klias lauschte der Unterhaltung mit unverhohlenem Missmut. Er hatte seine Hände lange gewaschen, so als wolle er sie von dem reinigen, was in dieser Nacht geschehen und beschlossen worden war. Er griff nach einem Tuch, um sie abzutrocknen. Abgelenkt durch Umatis Bemerkung griff er jedoch nach dem falschen. Es war jenes, das die Zutaten für den Sud enthielt, den er vorhin gebraut hatte. Es öffnete sich, und Blätter, Halme und Beeren fielen zu Boden. Er fluchte, und Belk bückte sich eilig, um den Schaden zu beheben. Eine der Beeren rollte fast bis an Marus Fuß. Sie hob sie auf und wollte sie Belk geben. Dann hielt sie inne. Die Beere war halb vertrocknet und stachlig – und sie glich genau jenen, die sie am Nachmittag in der Vorratskammer in der Hand gehalten hatte. Vor Verblüffung blieb ihr der Mund offen stehen.
»Was ist, Mädchen, willst du die Beere des Treublatts für deine eigenen Zwecke einsetzen?«, fragte Velne mild lächelnd.
»Treublatt?«
»Oh, viele junge Männer und Frauen kommen zu uns wegen dieser Beere. Sie dient einem Liebeszauber.« Er grinste versonnen, aber dann verdüsterte sich seine Miene wieder. »Nun, der Sud, den Klias dort gekocht hat, enthält nicht viel davon, weder vom Treublatt noch von der Liebe. Gib mir diese Beere, du hast sie sicher nicht nötig, wenn du einmal das Herz eines jungen Mannes an dich binden willst.«
Maru drückte Velne die Beere stumm in die Hand. Wenn Tasil dieselbe Pflanze wie Klias verwendete, hieß das… Sie konnte den Satz nicht zu Ende denken, schüttelte wieder den Kopf. Konnte das sein? Ihr wurde heiß und kalt. War es das, was Wika gemeint hatte? Die lästige Frage, warum sie eigentlich bei Tasil blieb? Und hatte sie deshalb bis heute keine überzeugende Antwort darauf gefunden? Blieb sie bei ihm, weil er einen Liebeszauber auf sie anwandte? Ein Abgrund tat sich vor ihr auf. Sie blieb nicht, weil er sie vor einem Jahr gekauft hatte, sie blieb nicht, weil sie Angst hatte, als entflohene Sklavin gejagt zu werden, nein, sie blieb, weil er sie mit einem hinterhältigen Zauber an sich band!
»Bist du sicher, dass dir wohl ist? Du siehst nicht so aus«, meinte Velne besorgt.
»Es ist nichts. Vielleicht das Fleisch. Ich hatte seit Wochen keines mehr«, murmelte Maru eine lahme Ausrede.
»Dann können wir also aufbrechen?«, drängte Umati.
»Du willst sie also wirklich gehen lassen, mein Freund?«, fragte Klias noch einmal.
»Du kannst uns nicht daran hindern«, fauchte Umati.
»Er hat es auch nicht vor«, beruhigte Velne die Gemüter. »Ihr könnt gehen, wohin ihr wollt. Doch rate ich euch zur Vorsicht. Ihr beide habt euch mächtige Feinde gemacht. Und nicht immer wird im Lager dieser Feinde jemand sein, der so großherzig ist wie ich.«
Zweiter Tag
Bet Immit
Der Morgen beginnt, wenn du einen schwarzen von einem weißen
Faden unterscheiden kannst.
Sprichwort der Akkesch
Maru schlich wenig später an der Seite Umatis durch die Dunkelheit. Sie versuchte, in etwa den Weg einzuschlagen, den sie auf dem Hinweg genommen hatte.
»Wir müssen diesen Wachposten nicht ausweichen, Mädchen«, meinte die Frau, als sie sich durch das sumpfige Land tasteten.
»Ich weiß, dass diese Krieger keine Gegner für dich sind, ehrenwerte Umati, aber wir müssen ungesehen ans Ufer kommen.«
»Dann müssen wir uns eilen, denn ich spüre das Nahen der Dämmerung.«
Tatsächlich schienen die ersten Sterne schon zu verblassen. Sie hatten keine Schwierigkeiten, durch die Postenkette hindurchzuschlüpfen und den Strom zu erreichen. Vorsichtig schlichen sie durch das Schilf. Der Fluss murmelte leise, und Zikaden sangen. Auch am Ufer standen Krieger Wache. Einmal hörten sie, wie ein Mann, ganz in ihrer Nähe, laut gähnte und mit den Füßen
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