Die Tochter des Magiers
sind. Ist das klar?«
Roxanne ließ den Kopf sinken.
»Ja, Daddy.«
»Gut. Wir machen einen Moment Pause. Trockne dein Gesicht«,
mahnte er und nahm ihr Kinn in die Hand. »Ich möchte, daß
du …« Prüfend betastete er ihre Stirn und erschrak. »Sie ist
ja glühend heiß. Lily!« Hilflos schaute der Große Nouvelle, der
mächtige Meistermagier, zu seiner Geliebten. »Sie ist krank.«
»Ach, du armes Lämmchen.« Lily kauerte sich zu ihr. »Schatz,
tut dir der Kopf weh? Dein Bauch?«
Zwei dicke Tränen tropften auf den Boden. »Ich bin okay. Es
ist bloß so heiß hier. Ich bin nicht krank, ich will proben. Daddy darf
mich nicht wegschicken.«
»Ach, das ist doch Unsinn. Wer könnte dich denn ersetzen?« Sie
drückte Roxanne an sich und schaute zu Max. Er war weiß wie ein Laken.
»Ich glaube, wir sollten in die Stadt zu einem Arzt fahren.«
Sprachlos beobachtete Luke, wie Max die weinende Roxanne
wegtrug. Sein sehnlichster Wunsch war in Erfüllung gegangen. Das Gör
war krank. Vielleicht hatte sie sogar die Pest. Mit hämmerndem Herzen
rannte er aus dem Zelt und schaute der Staubwolke nach, als der Laster
davonraste.
Sie starb vielleicht, noch ehe sie in die Stadt kamen. Dieser
Gedanke jagte ihm einen mörderischen Schrecken ein, und entsetzliche
Gewissensbisse überfielen ihn. Sie hatte so furchtbar winzig ausgesehen
in Max' Armen.
Mouse hatte das Brummen seines geliebten Motors gehört und kam
schnaufend herbeigerannt. »Wo sind sie hin?«
»Zum Arzt.« Luke biß sich auf die Lippen. »Roxanne ist krank.«
Ehe Mouse noch weitere Fragen stellen konnte, lief Luke davon.
Falls es tatsächlich einen Gott gab, hoffte er bloß, er würde ihm
glauben, daß er es nicht so gemeint hatte.
Zwei schreckliche Stunden vergingen, ehe
der Laster zurückkehrte. Luke blieb fast das Herz stehen, als er sah,
wie Max die leblose Roxanne aus Lilys Armen nahm und in den Wohnwagen
trug.
»Ist sie …« Er brachte das entsetzliche Wort nicht
heraus.
»Sie schläft.« Geistesabwesend lächelte Lily ihm zu. »Tut mir
leid, Luke, ich habe jetzt keine Zeit. Wir haben für eine Weile alle
Hände voll zu tun.«
»Aber … aber …« Er folgte Lily zum
Wohnwagen. »Ist sie, ich meine …«
»Ein paar Tage lang wird's ihr sicher ziemlich schlechtgehen,
bis die Krise überstanden ist.«
»Krise?« Seine Stimme war nur noch ein Krächzen. Jesus
Christus, es war tatsächlich die Pest.
»Es ist wirklich gräßlich heiß«, seufzte Lily. »Wir wollen es
ihr so bequem wie möglich machen.«
»Ich wollte das nicht«, platzte Luke heraus. »Ich schwöre, ich
wollte sie nicht krank machen.«
Lily blieb an der Tür stehen. »Das hast du doch nicht, Schatz.
Ich glaube eher, daß Trudie und Tessie ihr mehr mit auf den Weg gegeben
haben als nur Schwüre ewiger Freundschaft. Es scheint, als ob Roxy
außerdem auch noch die Windpocken abbekommen hat.«
Luke blieb mit offenem Mund stehen, als Lily die Tür vor
seiner Nase schloß.
Windpocken? Er war vor Angst fast gestorben, und dieses kleine
Luder hatte nichts weiter als blöde Windpocken!
»Ich kann das«, wiederholte Luke störrisch
und beobachtete mit finsterem Gesicht, wie Max einen Kartentrick
probte. »Ich kann alles, was sie kann.«
»Du bist noch lange nicht soweit.«
Seit drei Tagen lag Roxanne krank im Bett, und bei jeder
Gelegenheit hatte Luke seither die gleiche Leier angestimmt.
»Du brauchst mir bloß zu zeigen, was ich tun soll.«
Stundenlang hatte er Mouse gelöchert, er solle ihm den Trick mit dem
großen Hut beibringen, aber Mouse war durch nichts zu erweichen
gewesen. »Ich habe gehört, wie du zu Lily gesagt hast, ohne Roxanne sei
eine Lücke in der Nummer. Und sie fehlt mindestens noch zehn Tage lang.«
Max hatte geplant, mit einigen zusätzlichen
Taschenspielertricks Roxannes Fehlen zu überspielen, und begann einen
neuen Kartentrick. »Es ist rührend, wie besorgt du um ihre Gesundheit
bist, Luke.«
Verlegen stopfte er seine Hände in die Taschen. »Ich habe sie
nicht krank gemacht.« Davon war er inzwischen fast überzeugt. »Und es
sind bloß Windpocken.«
Seufzend legte Max die Karten zur Seite und dachte nach. Diese
kleinen Spielchen waren wirklich nicht das Richtige, und der Junge war
nicht dumm. Man könnte ihm eine so einfache Sache wie die Nummer mit
dem großen Hut durchaus anvertrauen.
»Komm her.« Luke trat einen Schritt näher und spürte einen
Schauder über seinen Rücken laufen, als Max ihn anschaute. »Heb deine
Hand und schwöre«,
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