Die Tochter des Magiers
dir, in
unserem Hotel etwas zu stehlen.«
Roxanne schaute ihn fragend an. »Soviel ich weiß, hast du die
Juwelen nicht zurückgebracht, Daddy.«
»Nein«, erwiderte er zögernd und fühlte sich ertappt. »Einem
geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul – und das gilt
sozusagen auch bei Diamanten. Heute nacht geht es aber um mehr, weit
mehr. Die Planung läuft sei Monaten, Roxanne, der Ablauf ist bis zur
letzten Sekunde genau durchkalkuliert. Selbst wenn ich dich oder sonst
jemanden mitnehmen wollte, käme dadurch alles durcheinander.«
»Das ist nur eine Ausrede«, entgegnete sie trotzig wie ein
kleines Mädchen, dem man verbot, zu einer Party zu gehen. »Das nächste
Mal findest du wieder eine andere.«
»Es ist die Wahrheit. Und wenn es nächstes Mal nicht geht, ist
es ebenfalls wahr. Wann habe ich dich je belogen?«
Roxanne schwieg. Er hatte gelegentlich die Wahrheit ein wenig
zurechtgebogen – aber regelrecht angelogen? Nein, noch nie.
»Ich bin genausogut wie Luke.«
»Genau das hat er immer über dich gesagt, wenn es um die
Zauberei ging.« Er nahm ihre Hand und küßte sie. »Und nun ist es Zeit
für unsere Vorstellung.«
»Na gut.« Sie öffnete die Tür und blicke über die Schulter
zurück. »Daddy, meinen Anteil von den hundertsechzig kriege ich aber!«
Er grinste von einem Ohr zum anderen. Was für eine prachtvolle
Tochter er doch hatte. »Aber sicher, mein Mädchen.«
Im Zuschauerraum des La Palace drängten
sich Filmstars, Mannequins und andere Berühmtheiten. Max hatte für
dieses kritische Publikum eine besonders raffinierte Show
zusammengestellt, die allen Beteiligten ganze Konzentration abverlangte.
Wie sie es gelernt hatte, schob Roxanne jeden anderen Gedanken
beiseite. Zum Auftakt führte sie die Nummer mit den schwebenden Kugeln
vor. Luke stand hinter den Kulissen und beobachtete sie. In ihrem
smaragdgrünen Kleid und mit ihrer wilden Mähne sah sie wie eine
langstielige Rose aus. Das Publikum war von ihrer Schönheit ebenso
gefesselt wie von den silbernen Bällen, die frei in der Luft zu
schweben und zu tanzen schienen.
Er neckte sie gern damit, daß ihre Nummern nur glanzvolle
Effekthaschereien seien. Aber in Wahrheit war ihr Können ganz
außergewöhnlich. Selbst er geriet jedesmal wieder in ihren Bann, obwohl
er wußte, wie die Tricks funktionierten. Sie hob die Arme, auf denen
jeweils drei Bälle schwebten.
Zur Musik von Debussy legte Lily grüne Seidentücher darüber
und trat zurück. Roxanne ließ durch eine rasche Drehung die Tücher zu
Boden gleiten – und wo eben noch die schimmernden Kugeln
gewesen waren, saßen nun weiße Tauben.
Das Publikum tobte vor Begeisterung, als sie sich verbeugte
und die Bühne verließ. Luke grinste ihr zu, während Mouse die Tauben in
ihre Käfige lockte. »Vögel sind ja ganz nett, Rox, aber wenn du mit
einem Tiger arbeiten würdest …«
»Leck mich …« Sie verstummte nur, weil Lily ihr
hinter die Bühne gefolgt war und mißbilligend den Kopf schüttelte.
»Seid friedlich, Kinder. Mouse, Schatz, paß auf, daß die
beiden sich benehmen. Ich muß wieder zurück.« Sie seufzte. »Wahrhaftig,
Max heckt dauernd neue Möglichkeiten aus, mich zu zersägen.« Nach einem
Blick auf Luke eilte sie nach draußen zu Max, der sich für den
Begrüßungsapplaus bedankte.
»Du weißt, was sie hat, nicht wahr?« fragte Roxanne leise.
»Lily hat gar nichts«, entgegnete Luke und beobachtete Max,
der die spektakuläre Nummer damit begann, daß er Flammen aus seinen
Fingerspitzen schießen ließ. Zum krönenden Abschluß würde er Lily mit
Laserstrahlen in drei Teile zerschneiden.
»Sie macht sich Sorgen um dich. Gott weiß, warum.«
Ihre Bemerkung machte ihn betroffener als er sich eingestehen
wollte. »Dazu hat sie keinen Grund. Ich weiß, was ich tue.«
Roxanne hätte ihn am liebsten geschlagen. Aber sie war viel zu
sehr Profi, um sich einen Wutanfall in den Kulissen zu erlauben. Mit
ihrer Meinung hielt sie allerdings nicht hinter dem Berg. »Ja, das
weißt du immer, stimmt's? Seit Max und Lily dich aufgenommen haben,
hast du stets getan, was dir paßte. Verdammt, sie lieben dich, und es
macht Lily fertig, daß du ständig riskantere Nummern entwickelst.«
Er unterdrückte seine Schuldgefühle, denn nagende
Gewissensbisse durfte er sich bei seinen Auftritten nicht leisten. »Das
ist nun mal mein Job. Du läßt glitzernde Bälle in der Luft schweben,
ich zerbreche Ketten. Und wir alle stehlen.« Seine Augen blitzten. »Das
ist unser
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