Die Tochter des Praesidenten
gehorchen. Ich habe nicht nachgedacht, und nun ist es eben geschehen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe einfach nicht nachgedacht. Ich hatte keine Ah nung, was er vorhatte. Ich kenne Marie von Kindesbeinen an und habe sie immer sehr gern gehabt.«
»Aber Sie sind Judas blind gefolgt?« fragte Blake.
»Denken Sie an Auschwitz, Mr. Johnson. Ich bin ein guter Jude. Ich liebe mein Volk, und Israel ist unsere gro ße Hoffnung. Ich wollte helfen, können Sie das nicht ver stehen?«
Dillon legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Doch. Ich verstehe Sie sehr gut.«
»Wissen Sie, was er mit ihr vorhat?« fragte Blake.
»Sie als Druckmittel für einen Handel zu benutzen, nehme ich an«, erwiderte Rocard, der offenbar wirklich keine Ahnung hatte.
»In Wahrheit will er sie am Dienstag hinrichten, falls ihr Vater nicht den Einsatzbefehl für einen amerikani schen Militärschlag gegen den Irak, den Iran und Syrien unterzeichnet.«
Rocard war ehrlich entsetzt. »Was habe ich getan? Ma rie, was habe ich getan?« stammelte er betroffen und wirkte um Jahre gealtert. Er stand auf und ging zur Re ling. »So wahr Gott mein Zeuge ist, das hab’ ich nicht ge wollt.«
»Ich glaube ihm das sogar«, flüsterte Dillon Blake Johnson zu.
Als er sich umwandte, war Rocard verschwunden, ein fach verschwunden, als habe er nie existiert. Blake und er rannten zur Reling. Über dem Fluß wirbelten Nebel schwaden, sie glaubten, flüchtig einen Arm zu sehen, dann wurde alles wieder vom Dunst verdeckt. Dillon stützte sich auf die Reling.
»Ich glaube, ein Mensch kann nur eine bestimmte Menge an Leid ertragen, ehe er zerbricht.«
»Aber wir haben versagt, Sean«, erwiderte Blake ge quält. »Wir sind keinen Schritt weitergekommen. Was machen wir nun?«
»Na ja, ich weiß nicht, wie es mit dir ist, aber ich gehe jetzt runter in die Bar und gönne mir einen ganz großen irischen Whiskey. Danach geht’s zurück nach London, um Ferguson die schlechten Neuigkeiten zu berichten.«
Der Präsident hatte zunächst vergeblich versucht, sich mit Archie Hood in Verbindung zu setzen. Er war nicht in seinem Apartment, soviel stand fest, doch bei einem Anruf in der Kanzlei, für die er immer noch als Berater tätig war, erhielt er eine Nummer auf den Caymaninseln, wo er Urlaub machte.
Endlich gelang es Cazalet, ihn zu erreichen. »Archie, al ter Bussard, hier ist Jake Cazalet. Wo stecken Sie denn?«
»Mr. President, ich sitze mit einem Glas Champagner in der Hand auf der Terrasse einer herrlichen Villa an ei nem Palmenstrand und bin umgeben von drei wunder schönen Frauen, die zufälligerweise meine Enkelinnen sind.«
»Archie, ich brauche Ihre Hilfe. Es geht um eine Sache von ungeheurer Wichtigkeit, die streng vertraulich blei ben muß. Ich kann Ihnen im Moment nicht mehr sagen, aber ich hoffe, bald.«
Die Stimme des alten Mannes wurde ernst. »In welcher Hinsicht kann ich Ihnen dienlich sein, Mr. President?«
»Levy, Samuel Levy, sagt Ihnen der Name was?«
»Hab’ ihn gut gekannt. Er kam aus einer steinreichen Familie, die eine Schiffahrtslinie besaß, aber er hat sich für die Juristerei entschieden und sein Erbteil verkauft. Ein brillanter Anwalt. Hat seinen Beruf aus reinem Spaß an der Sache ausgeübt, denn das Geld hatte er bei seinen vielen Millionen nie nötig. Ist jetzt seit ungefähr fünf Jah ren tot.«
»Und sein Sohn Daniel Levy?«
»Ja, das war ein merkwürdiger Bursche. Großer Kriegsheld in Vietnam, und dann hat er sich mit Haut und Haaren Israel verschrieben. Ist in die israelische Ar mee eingetreten und hat im Jom-Kippur-Krieg gekämpft. Ein paar Jahre vorher war es zu einer großen Familientra gödie gekommen.«
»Was war passiert?«
»Dan Levys Mutter und seine Schwester fuhren zu ihm auf Urlaub und wurden bei einem Bombenangriff auf ei ne Bushaltestelle in Jerusalem getötet. Der alte Herr ist nie darüber weggekommen. Es hat ihn im Grunde umge bracht.«
Jake Cazalet hatte Mühe, die Ruhe zu bewahren. »Und was ist aus Daniel Levy geworden?«
»Hat fast hundert Millionen Dollar geerbt, ein Haus am Eaton Square in London und ein Schloß auf Korfu. Er war Colonel in der israelischen Luftwaffe, hat aber den Dienst quittieren müssen, als es einen Skandal gab, weil er arabische Gefangene exekutiert hatte oder so was. Das war das letzte, was ich von ihm gehört habe.«
»Ein Schloß
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