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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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Schwertgriffe knallten gegeneinander, und der Ausbilder trieb Eijiro unbarmherzig Schritt um Schritt zurück, bis dieser ausrutschte und fiel. Fluchend kam er wieder auf die Füße. Der Schwertmeister wartete geduldig. Kein Haar hatte sich aus seinem glänzenden Pferdeschwanz gelöst.
    Mit einem weiteren gellenden Schrei hob er den Stock und schwang ihn durch die Luft direkt auf Eijiros Kopf zu. Eijiros Arme gaben nach, doch mit letzter Kraft brachte er sein Übungsschwert hoch, um zu parieren. Stock krachte auf Stock, aber diesmal wehrte er ihn ab, und es gelang ihm, selbst ein paar Schläge anzubringen, bis der Ausbilder ihn wieder gegen die Wand trieb. Er verbeugte sich und seufzte erleichtert, als das Trommelfeuer der Schläge aufhörte. Mit zitternden Beinen stolperte er zum nächsten Baum und krümmte sich keuchend zusammen.
    Er richtete sich auf und rieb sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Der raue Hanfstoff verhakte sich an seiner unrasierten Wange. Die Erde war hart und kalt unter seinen Füßen, und ein steifer Wind fuhr durch die Bäume und rüttelte an den Holzwänden der ehemaligen Stallungen, in denen die Schüler untergebracht waren und der Unterricht abgehalten wurde. An diesem Tag war ein wenig Schnee gefallen, wenngleich der Winter hier im Allgemeinen viel milder war als in Tokyo. Abgesehen davon sprach allerdings nur wenig für diesen Ort. Am schlimmsten war, dass er vor diesem Grünschnabel Kotau machen musste – er, Eijiro Kitaoka, von allen als einer der besten Schwertkämpfer Tokyos gerühmt. Hier hatte er lernen müssen, dass die perfekte Form bei Weitem nicht genügte. Diese Kerle schlugen aufeinander ein, als kämpften sie um ihr Leben.
    Widerwillig musste er sich eingestehen, dass er sich in Tokyo ein wenig hatte gehen lassen. Er war jetzt viel schlanker und in besserer körperlicher Verfassung, als er es dort je gewesen war, und seine Arme waren von den täglichen stundenlangen Schwertübungen eisenhart. Es tat gut, sich so viel zu bewegen, zu spüren, wie das Blut durch seine Adern strömte, zu wissen, dass er auf alles vorbereitet war, wenn die Zeit kam. Wobei er insgeheim bezweifelte, dass diese Zeit je kommen würde, und falls doch, war er sich alles andere als sicher, ob Schwertkampfkunst, und sei sie noch so ausgefeilt, den Sieg über Soldaten mit Gewehren davontragen würde.
    »Du hast hart gearbeitet. Gut gemacht.« Der Ausbilder schlug die Hacken zusammen und verbeugte sich höflich. Muskulöse Waden schimmerten unter seinen hochgebundenen Kimonoröcken.
    »Danke.« Eijiro kniete sich auf den eisigen Boden, machte eine oberflächliche Verbeugung, kam wieder hoch und wischte sich Vulkanasche von den Knien. »Ich gehe jetzt. Habe heute Dienst am Kai.«
    Während Eijiro durch die Straßen von Kagoshima ging, fielen die Flocken dichter. Schnee bestäubte die breiten Blätter der Palmen und blieb in den faserigen Spalten der Stämme hängen, ließ die Ziegel auf den Burgdächern hervortreten, überzog die Tori vor den Schreinen und lag dick in den geschwungenen Dachsimsen der Tempel. Er hüllte die Steinfüchse und kleinen Jizo-Statuen entlang der Straße ein und sammelte sich zu kleinen Pyramiden auf den davor als Opfergaben abgelegten Satsuma-Orangen und Shochu-Flaschen. Die Hügel hinter der Stadt, an denen sich die Ausbildungslager befanden, glitzerten weiß. Krähen krächzten, und aus Tausenden von Häusern wehte Holzrauch, als Frauen ihre Frühstücksfeuer entzündeten.
    Eijiro schritt eilig aus, den Kopf gebeugt. Zitternd zog er den Mantel enger um sich und rieb sich die Arme. Ihm war nicht klar gewesen, dass es in dieser tropischen Region schneien würde. Wehmütig dachte er an seine schicke westliche Kleidung, die er hatte zurücklassen müssen – den eleganten Kammgarnmantel und die teuren Westen, Hemden, Krawatten und Hosen. Jetzt besaß er nur noch einen billigen Baumwollkimono und Beinlinge, einen Mantel und hölzerne Getas. Er spürte, wie der Schnee unter seinen Zehen knirschte.
    Das Leben in Kyushu war für ihn ein furchtbarer Schock gewesen. Er hatte es sich nicht so primitiv und rau vorgestellt, abgesehen davon, dass er zunächst kein Wort verstehen konnte, doch jetzt, nach vier Monaten, fühlte er sich wie ein Veteran. Am Ende waren die meisten seiner Kumpane mit ihm gekommen, sogar dieser kleine Mistkerl Suzuki, der Yamakawa im Stich gelassen hatte. Trotz all ihres Tokyo-Gebarens waren sie schließlich doch Jungs aus Satsuma. Ob es ihnen gefiel oder nicht, sie

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