Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Hochzeitshoffnungen.
»Komm, komm, meine Liebe.« Fujino tätschelte ihr sanft den Schenkel. »So bist du besser dran. Unter uns gesagt, ich mochte Madame Masuda nie. Neureiche Stadtfrau mit diesem aufgeblasenen Getue. Eine arrogante Bande, diese Shimadas, geben keinen Deut darauf, was andere über sie denken. Kein Gefühl für Ehre, keine Ahnung, wie anständige Leute sich benehmen.
Ich weiß, du bist sechzehn, fast siebzehn, aber mach dir keine Sorgen. Uns bleibt noch Zeit. Wir werden jemanden für dich finden. Ein Mann ist so gut wie der andere. Deinem Vater hätte es sowieso nicht gefallen, wenn du einen Bankier geheiratet hättest. Was du brauchst, ist ein schneidiger Soldat wie die Männer, die ich bewundert habe, als ich in deinem Alter war. Einen der Leutnants deines Vaters, zum Beispiel. Erinnerst du dich an die kaiserliche Garde, die bei uns ein und aus ging? War da nicht einer, den du immer mit großen Augen angeschaut hast? Ich bin deine Mutter, Liebes. Mütter bemerken solche Dinge.«
Taka funkelte sie böse an, hätte am liebsten von ihr gefordert, sich nie wieder in ihr Leben einzumischen. Aber trotz allem tauchten die jungen Männer in ihren schicken Uniformen vor ihrem inneren Auge auf, und der Hochgewachsene, Ernste mit dem bleichen Gesicht und den durchdringenden Augen, der die rechte Hand ihres Vaters gewesen war.
Okatsu nahm den Schürhaken und rüttelte die glühenden Holzstücke im Kohlebecken auf, bis sie knisterten und Flammen aufzüngelten. Sie wich Takas Blick aus. Vor deren Mutter konnte sie nichts sagen.
Fujino lehnte sich zurück, nahm einen Schluck Tee, glättete ihre Röcke und steckte sie ordentlich unter ihren Knien fest. Das tat sie immer, wenn sie etwas Bedeutsames zu sagen hatte. Taka wartete, die Augen leicht zusammengekniffen. Ihre Mutter atmete tief durch. »Ich bin zu selbstsüchtig gewesen, Liebes. Wir gehen nach Kagoshima, zu deinem Vater. Die kaiserliche Garde ist dort bei ihm. Vielleicht können wir …«
»Kagoshima?« Taka blieb der Mund offen. Sie hatte schon geahnt, dass ihre Mutter darauf hinauswollte, trotzdem war es ein Schock. Okatsu hörte auf, im Feuer zu stochern, und schaute Fujino bestürzt an.
»Kagoshima?«, wiederholte Taka. »Du meinst … Tokyo verlassen? Unser Haus verlassen?«
»Runzel nicht so die Stirn. Das ist unkleidsam. Davon bekommst du Falten. Gonsuké wird die Überfahrt buchen. Es wird ein Abenteuer. Dein Vater braucht uns. Er wird sich freuen, uns zu sehen.«
Taka starrte sie an. Sie war sich dessen absolut nicht sicher.
»Aber … aber was ist mit Haru?«
»Deine Schwester gehört jetzt zu einem anderen Haus.«
»Aber sie besucht uns noch von Zeit zu Zeit, und es ist tröstlich, ihr so nahe zu sein. Für sie wird es einsam, wenn wir ans andere Ende der Welt verschwinden.« Taka holte Atem. »Mutter, das da unten im Süden ist ein fremdes Land. Wir wären wie Exilanten. Wir werden den Dialekt der Einheimischen nicht verstehen. Gibt es dort vier Jahreszeiten wie in Tokyo? Haben sie Kirschblüten? Wir wissen überhaupt nichts darüber.« Sie hatte die Stimme erhoben. »Und du willst dort genauso wenig hin wie ich!«
Fujino knallte ihren Teebecher auf den Rand der Feuerstelle. »Wir gehen nach Kyushu, ob es uns gefällt oder nicht.« Ihre Stimme bebte. »Uns bleibt keine andere Wahl. Ich hatte nicht erkannt, wie gefährlich unsere Situation hier geworden ist, bis dieser Brief eintraf. Nachdem dein Vater nun als Verräter gebrandmarkt wurde, müssen wir so schnell wie möglich fort, am besten schon morgen. Wir haben es vielleicht schon zu lange hinausgezögert.«
Zu Takas Entsetzen füllten sich die Augen ihrer Mutter mit Tränen. Plötzlich ging ihr auf, dass es für Fujino viel schlimmer war. Seit drei Jahren war sie von Takas Vater getrennt, und sie hatte keine Ahnung, was während dieser Zeit passiert war. Er hatte sie nicht zu sich gerufen und würde sie wahrscheinlich nicht einmal sehen wollen.
Er hatte eine Ehefrau, wenn nicht zwei oder drei, und vermutlich einige Geisha-Mätressen. Schließlich war er ein Mann, und so waren Männer nun mal. Was würde er empfinden, wenn sie plötzlich auftauchten? Ihr Bruder Eijiro konnte neben ihm in der Schlacht kämpfen, aber Taka und ihre Mutter waren nutzlose Frauen. Warum sollte er froh sein, seine alte Geliebte zu sehen, ganz gleich, wie sehr er sie in der Vergangenheit gemocht hatte? Weit davon entfernt, sich über das Wiedersehen zu freuen, würden sie vermutlich für ihre eigene
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