Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Alles, was du willst, ohne Bezahlung, sagen die Mädchen.«
Glocken wurden geschlagen, und Pfeifen ertönten. Das Schiff drehte um die Landspitze ab, hielt auf die Küste zu.
»Und wie wir gerade denken, das Leben könnte nicht besser sein, wird’s plötzlich schlimmer, viel schlimmer. Wir sind da kaum richtig angekommen, drücken die uns Gewehre in die Hand und Tornister auf den Rücken und schieben uns in den Zug. Als Nächstes marschieren wir den Kai runter. Und jetzt sind wir hier, sollen den Satsuma eins auf den Deckel geben. Das sagen die zumindest.« Bunkichi fiel merklich in sich zusammen. Seine Großspurigkeit hatte sich in nichts aufgelöst. »Kann nicht behaupten, dass ich mich darauf freue, am scharfen Ende von einem Satsuma-Schwert zu stehen. Ich hab keinen Streit mit den Satsuma. Warum soll ich für was sterben, wovon ich keine Ahnung habe?«
Nobu schlug ihm auf die Schulter. »Und ich dachte, du wärst der Zähe. Ich dachte, du hättest nichts gegen eine kleine Prügelei. In der Armee stellen wir keine Fragen, wir folgen nur Befehlen.«
»Wir sind keine Samurai«, jammerte Bunkichi. »Wir sind Städter. Wir sind nicht zum Kämpfen gemacht.«
»Die Satsuma sind der Feind.« Pflichtbewusst zitierte Nobu die offizielle Linie. »Sie wollen die Regierung stürzen. Wenn sie damit durchkommen, wird das ganze Land wieder zu einem Schlachtfeld.«
Ihm stiegen die ausgebrannten Ruinen der Burg von Aizu vor Augen, die Gräber seiner Mutter, seiner Schwestern, seiner Großmutter, aufgereiht an einem öden, windumtosten Hang. Nie würde er diesen Anblick vergessen, der sich für immer in sein Gedächtnis eingebrannt hatte. »Die Satsuma haben schreckliche Dinge getan«, fügte er nachdrücklich hinzu. »Sie müssen bestraft werden. Doch nach allem, was ich höre, wird es dort, wohin wir fahren, kaum Kämpfe geben.«
»Wir wissen nicht mal, wo das ist. Uns Wehrpflichtigen sagen sie überhaupt nichts.«
»Ihr werdet es schon bald herausfinden.« Nobu zögerte. Sie drei hatten vieles zusammen erlebt. Es konnte nicht schaden, wenn sie es erfuhren. »Kagoshima. Wir fahren nach Kagoshima.«
Am Ufer zogen sich Berghänge dahin, ein undurchdringlicher grüner Vorhang, wild und zerklüftet. Nobu fragte sich besorgt, wie es ihren Truppen aus dem Norden in diesem so fremden Land ergehen würde.
Bunkichi schluckte, und sein pockennarbiges Gesicht nahm die Farbe von Reisbrei an. Wie ein Frosch öffnete und schloss er den Mund. »Doch nicht … die Hauptstadt der Satsuma? Aber das ist … Wir stecken unseren Kopf in ein Wespennest!«
Nobu lächelte schief. »Das Glück haben wir nicht. Nach allem, was ich höre, ist die Stadt unverteidigt. Da sind nur Frauen, Kinder und Städter, keine Samurai. Wir kommen als Besatzungsmacht, mehr nicht. Wir haben die Satsuma so gut wie erledigt. Die hatten sich um die Burg von Kumamoto verschanzt, aber wir haben die Belagerung durchbrochen, und jetzt sind sie auf der Flucht. Wir brauchen nur noch die Versprengten zusammenzutreiben und ihre Anführer aufzuspüren. Ich hatte mich darauf gefreut, selbst ein paar Satsuma in Stücke zu hacken, aber ich glaube nicht, dass ich dazu noch viel Gelegenheit haben werde.«
Er fügte nicht hinzu, dass die Satsuma laut den Spähern auf einem beschleunigten Rückzug waren, um die Stadt zu erreichen, bevor die Armee eintraf. Diese blutigen Anfänger schon jetzt in Angst und Schrecken zu versetzen, war nicht nötig. Sie würden es schon bald selbst herausfinden.
Bunkichi blickte einen Moment lang verwirrt, als versuchte er, das alles aufzunehmen. Er kratzte sich am Kopf, und ein Grinsen breitete sich über sein Gesicht. »Da bin ich aber erleichtert.« Seine gute Laune war zurückgekehrt. Er warf Zenkichi einen Blick zu. »Kagoshima. War da nicht was …«
»Ja, hatte zu tun mit …«, bestätigte Zenkichi.
Bunkichi scharrte mit der Stiefelspitze über das Deck und schaute dann Nobu aus großen Froschaugen an. »Diese Dame kam …«, sagte er.
Nobu starrte ihn an, überlegte, wovon der Mann wohl redete. Eine der Freundinnen von Moris Mätresse, nahm er an, doch was hatte das mit ihm zu tun? Bunkichi sah ihn wissend an.
»Die Dienerin aus dem großen Haus«, fügte er hinzu.
Okatsu! Takas Dienerin. Nobu schrak zusammen. Er verspürte einen Hoffnungsschimmer, sein Herz begann zu hämmern. Bestürzt und wütend auf sich, versuchte er seine Freude zu dämpfen. So etwas hatte er nicht zu empfinden. Er hatte das alles hinter sich gelassen.
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