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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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wusste, sie waren insgeheim erleichtert, dass keine Samurai in der Stadt zurückgeblieben waren und sie daher nicht gegen eigene Verwandte kämpfen mussten. Viele von Nobus, Satos und Sakurais Kameraden befanden sich ebenfalls unter den Rebellen, Männer, die im letzten Herbst die Militärakademie verlassen hatten, um nach Kyushu zurückzukehren. Sie drei würden auf Mitschüler schießen – oder von ihnen erschossen werden –, falls es je zu einer Konfrontation kam. Aber Sakurai war niemand, der sich über solche Einzelheiten Gedanken machte. Er wollte nur, dass jeder erfuhr, wie kampfbegierig er war.
    »Sogar Leutnant Yoshida, sogar unser Yoshida mit seinem Kopf voll französischer Vokabeln und französischer Geschichte, sogar er könnte einen Schuss abgeben – falls er richtig zielen kann.« Sakurai gluckste.
    Nobu schenkte ihm keine Beachtung. Das Schiff näherte sich der Küste mit ihren zerklüfteten, dicht bewachsenen Klippen und Hügeln. Der Geruch von Laub, Blüten und Schösslingen wehte mit der Brise herüber. Selbst an den mildesten Frühlingstagen war es in Aizu oder Tokyo nie so grün, nie so warm und schwül. Insekten surrten, Möwen kreischten und stießen herab, und ein Kormoran flog vorbei, streckte seine schwarzen Schwingen. Mit Menschen und Möbelstücken beladene Boote skullten niedrig über das Wasser, darauf bedacht, großen Abstand zu den massiven grauen Kriegsschiffen zu halten.
    Nobu beugte den Kopf zurück, bis sich der gestärkte Kragen in seinen Nacken grub, kniff die Augen gegen die blendende Vormittagssonne zusammen und schaute hinauf zum Vulkan, der den Himmel über ihnen füllte. Eine Faust aus Asche und Rauch stieß aus seinem zerklüfteten Krater, krümmte und schlängelte sich wie ein Drachenkopf. Nobu roch Schwefel und sah Dampf aus Ritzen im Gestein aufsteigen.
    Die an einen Berghang geschmiegte Häuseransammlung kam näher, und Nobu griff nach einem Fernrohr.
    Kagoshima, die berühmte Feste der Satsuma. Er konnte die Burg ausmachen, eine Reihe von Befestigungsanlagen entlang des Berghangs. Gebäude breiteten sich darum aus, größere, von Grün umgebene Plätze nahe der Burg, eng bebaute Straßen mit kleinen Häusern weiter entfernt und an der Bucht eine Schiffswerft mit beeindruckenden grauen Gebäuden, in denen wohl die Rüstungsfabriken der Satsuma untergebracht waren.
    Er fragte sich, ob die Stadt tatsächlich unverteidigt war, und erwartete halb, plötzlich Geschützfeuer aufblitzen zu sehen. Der Ort sah verdächtig leer aus. Kein Rauch stieg aus den Häusern, keine Gestalten bewegten sich auf den Kais oder den Straßen, kein einziges Lebenszeichen war zu erkennen. Nobu überlegte, was wohl hinter dieser friedlichen Fassade vorgehen mochte, welche raffinierten Pläne sich die Einwohner ausgedacht hatten, um die anrückende Armee zum Narren zu halten.
    »Sieht aus, als hätte da die Pest gewütet«, grunzte Sato. »Aber die sind da, täusch dich nicht. Halten sich verborgen, mit ihren Gewehren im Anschlag, um uns willkommen zu heißen. Wir werden’s ihnen zeigen, wie wir es ihnen in Kumamoto gezeigt haben, was, Yoshida?«
    Nobu hörte ihn kaum durch den Sturm der Gedanken, die auf ihn eindrängten. Der Moment war gekommen – der Moment des Sieges, der süßen Rache. Er hatte den Feind im Visier, die Bastion der Satsuma, jener Mörder, die seine Stadt niedergebrannt hatten, durch sein Haus getrampelt und für den Tod seiner Mutter, Schwestern und der Großmutter verantwortlich waren, seinen Clan ins Elend gestürzt hatten und sie bis zum heutigen Tag knechteten. Doch statt Hass und Kampflust zu empfinden, konnte er nur an Taka denken.
    Das Boot krachte gegen den Wellenbrecher und schaukelte stark. Ein flacher Leichter, vollgeladen mit aneinandergedrängten Soldaten, die sich an allem festklammerten, was sie finden konnten. Nobu stand auf, fand das Gleichgewicht, wartete auf den Wellenkamm und sprang. Hände zogen ihn, als er über die Steine kletterte. Er atmete ein paarmal durch, genoss das Gefühl, festen Boden unter den Füßen zu haben, blickte dann auf, und ihm blieb der Mund offen stehen.
    Die großen, aus Ziegeln gebauten Lagerhäuser entlang des Kais waren aufgebrochen. Rostige Eisentüren hingen in ihren Angeln, und Reis, Zucker und gelber Saflor ergossen sich über die Pflastersteine. Holzbohlen und Seidenballen lagen verstreut herum, als hätten die Plünderer ihre Beute bei der Flucht fallen lassen. Die Satsuma hatten nicht auf das Eintreffen der Armee

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