Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
sie zu einer unwiderstehlichen Beute. Das einzige Problem war nur, dass er eine ganze Stadt durchsuchen musste und keine Ahnung hatte, wo er beginnen sollte.
»He, Yoshida.« Ein kräftiger Gestank nach feuchter Wolle, Waffenöl und Stiefelwichse stieg ihm in die Nase: Sakurai, massig und verschwitzt in seiner Uniform, ausgerüstet mit Pistole, Gewehr und Schwert. Sato tuckerte hinter ihm her wie eine kleine Barkasse hinter einem riesigen Kriegsschiff. »Was hältst du davon, wenn wir diesen von den Göttern verlassenen Ort zusammen auskundschaften? Gemeinsam ist man stärker und so.«
»Ich komme schon allein klar, vielen Dank«, erwiderte Nobu ruhig, aber bestimmt. Das Letzte, was er wollte, war Sakurai im Schlepp.
»Also will Yoshida den Helden spielen, mit seinem Schwert herumfuchteln wie ein Samurai«, höhnte Sakurai. »Dann sieh mal, wie du ohne uns zurechtkommst, Junge. Wir retten dich dann, falls du nicht wieder auftauchst. Aber wir werden mehr Rebellen aufspüren als du.«
Nobu blickte die Straße hinauf und hinunter. Er wusste, wie Sakurais Verstand funktionierte.
Vor der Burg begann eine breite Allee. Zur Rechten wiegten sich die Wipfel hoher Bäume über den verputzten Mauern. Das erinnerte ihn an die Gegend, in der Taka in Tokyo gewohnt hatte, wo sich hinter hohen Mauern palastähnliche Residenzen verbargen.
Er machte ein großes Gewese daraus, den Bereich zur Linken zu betrachten, zu grunzen und zu nicken, sich Zeit zu lassen, um sicherzugehen, dass Sakurai nicht den Verdacht schöpfte, Nobu hätte es eilig. »Sieht nach nicht viel aus, aber jemand wird wohl da nachschauen müssen. Das kann ich ja übernehmen, während ihr beide mal seht, was sich da drüben hinter den großen Mauern befindet. Gemeinsam ist man stärker und so.« Mit einem Kopfnicken wies er auf die wohlhabend wirkende Straße zur Rechten.
Sakurai starrte ihn misstrauisch an. Nobu konnte fast hören, wie sich die Räder im Gehirn des Mannes drehten, während er herauszufinden versuchte, was Nobu vorhatte.
»Stärker?«, schnaubte er. Nobu lächelte in sich hinein und seufzte erleichtert. Sakurai hatte den Köder geschluckt. »Hältst du uns für Narren? Du hast die Abenteuer nicht allein gepachtet. Komm, Sato, lass uns ein paar Rebellen ausräuchern.«
Sie stapften die Straße zur Linken hinunter, schlüpften hinter einen Baum, spähten vorsichtig hervor und rannten zum nächsten. Nobu hörte ein Krachen und das Splittern von Holz, als Sakurai ein Tor mit seinem Gewehrkolben zertrümmerte. Nobu wartete ungeduldig, bis sie auf dem Grundstück verschwunden waren, machte kehrt und flitzte zu der Straße, die ihn an Takas erinnerte.
Das erste Tor, zu dem er kam, war eingeschlagen. Holzsplitter hingen aus dem Rahmen und lagen verstreut am Boden. Auch in diesem Teil der Stadt waren Plünderer am Werk gewesen. Nobu blieb stehen. Ihm sank der Mut, und er wünschte sich beinahe, er wäre auf Sakurais Angebot eingegangen. Allein durch feindliches Gebiet zu streifen, war schiere Dummheit. Die gesamte Bevölkerung lag wahrscheinlich im Hinterhalt, bereit, ein wahres Trommelfeuer auf den ersten feindlichen Soldaten loszulassen, der des Weges kam.
Mit einem Kribbeln im Nacken schaute er sich um, bildete sich ein, dass Augen aus jeder Ritze der Mauer spähten, doch dann riss er sich zusammen und versuchte sich zu konzentrieren. Als Erstes musste er die Kitaoka-Residenz finden. Er suchte nach einem Namensschild und stöhnte enttäuscht auf: »Nakamura.«
Die verputzten Grundstücksmauern erstreckten sich endlos, bis er zum nächsten Tor kam. Auch hier stand nicht »Kitaoka« auf dem Namensschild, genauso wenig beim nächsten und bei dem danach. Ein plötzlicher Windstoß, der nach Meer roch, rüttelte an den Ästen der Bäume hinter der Mauer. Alles wirkte unheimlich leer.
Er fluchte und schlug sich mit der Faust in die Handfläche. Der Tag war schon halb vergangen, und er hatte nichts gefunden. Er wünschte, hier wäre jemand, irgendjemand. So ganz allein an diesem verlassenen Ort zu sein, zerrte an seinen Nerven.
Immer verzweifelter war er von einer Straße zur nächsten gerannt, hatte ein Namensschild nach dem anderen überprüft, ohne jemandem zu begegnen, als er zu einem besonders prächtigen, tief in die Mauer gesetzten Eingang kam, mit einem steilen Ziegeldach und den mit Holzgittern versehenen Fenstern eines Wachhauses daneben. Es sah aus wie der Eingang zur Residenz eines mächtigen Mannes, vielleicht einem, der General Kitaoka
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