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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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kennen würde. Das rechtfertigte weitere Nachforschungen.
    Wie bei allen anderen, war auch hier das Tor eingeschlagen. Neben dem Krächzen der Krähen und dem Quaken der Ochsenfrösche meinte Nobu, ein Knacken zu hören, als spannte jemand ein Gewehr. Das schien aus dem Wachhaus zu kommen. Er holte Luft, legte den Finger an den Abzug seines Gewehrs, schob das zersplitterte Holz beiseite und trat ein.
    Es krachte. Das Tor des Wachhauses sprang auf, und ein verschlagen aussehender Bursche mit einem klobigen Stock in der Hand stürzte heraus. Also war hier doch noch jemand. Nobu funkelte den Mann an, doch bevor er auch nur sein Gewehr heben konnte, ließ der Torwächter den Stock fallen und hob die Hände. Seine Wangen bebten, und seine Blicke schossen herum wie die eines in die Enge getriebenen Kaninchens.
    Nobu unterdrückte ein Grinsen. Noch nie im Leben hatte er jemandem Angst eingejagt. Auch wenn das eher an der Uniform und dem Gewehr lag, nicht an ihm, wie er nur allzu gut wusste. Statt einfach nur ein dürrer Neunzehnjähriger zu sein, war er in den Augen dieses Burschen ein ungeschlachter, bis an die Zähne bewaffneter Vertreter der Armee Seiner Kaiserlichen Majestät.
    Nobu richtete sich mit einem, wie er hoffte, grimmigen Ausdruck auf. »Kaiserliche Armee, siebte Division, zur Requirierung dieses Hauses«, knurrte er.
    Der Torwächter wich langsam zurück, drehte sich um und huschte über das Grundstück davon. Nobu erlaubte sich ein triumphierendes Grinsen. Das Blatt hatte sich gewendet. Die Aizu trugen ihren Kopf wieder hoch erhoben.
    Innerhalb der Mauern war das Anwesen mit Kirschbäumen und Kiefern bepflanzt, rosa Azaleen und violetten Rhododendren. Er überquerte einen Bach, kam an einem Wasserfall vorbei, einem Karpfenteich und einem Rasen, der sich gut für Fechtübungen eignete. Das Haus selbst war groß und ausladend, umgeben von Veranden und geharkten Kieswegen, viel prächtiger als die Samurai-Häuser in Aizu.
    Er behielt die Stiefel an, um eine Dreckspur über die Tatamimatten zu ziehen, wie es die Satsuma in Aizu getan hatten, und marschierte direkt durch den stattlichen Haupteingang. Das Haus war voller Dienstboten, die damit beschäftigt waren, alles einzupacken. Staub hing in der Luft, Türen und hochkant gestellte Tatamis lehnten an den Säulen. Die Dienstboten wichen zurück, ließen alles fallen, starrten Nobu mit großen Augen und Gesichtern so bleich wie Tofu an. Wieder stieg Genugtuung in ihm auf, und er schärfte sich ein, einen klaren Kopf zu behalten. Sobald sie erkannten, dass da draußen keine weiteren Soldaten darauf warteten, hereinzustürmen, säße er in der Klemme.
    Er riss Türen auf, stach mit seinem Schwert in Futonschränke und befahl dann einem mürrisch blickenden Dienstboten, das Lagerhaus zu öffnen. Der Mann zögerte, aber als Nobu sein Gewehr hob, nickte er und hastete zur Rückseite des Hauses.
    Das Lagerhaus war riesig, das am üppigsten bestückte, das Nobu je gesehen hatte. Der Dienstbote schob die Tür auf, und Bildrollen, Vasen und gestapelte Kästen mit Töpferwaren kamen zum Vorschein, alles kreuz und quer durcheinander, als hätte man sie eilig hineingeworfen. Nobu grub sich durch den Berg an Gegenständen, warf Dinge beiseite, doch es war die übliche Samurai-Möblierung, nichts, was auf Fujinos extravaganten Geisha-Geschmack hinwies. Er hatte Takas Haus ein halbes Jahr lang geputzt und gewienert, kannte jeden Teller, jeden Behang, jede Bildrolle. Wenn irgendetwas von ihr hier gelagert wäre, hätte er es sofort erkannt. Aber da war nichts.
    Er vergeudete seine Zeit, wurde ihm klar. Hier gab es nichts, doch bevor er ging, würde er wenigstens ein paar Auskünfte einholen. Nobu runzelte die Stirn, überlegte, welche Fragen möglicherweise zu den von ihm benötigten Informationen führen könnten.
    »Wo sind euer Herr und eure Herrin?«, schnauzte er. Die Dienstboten blickten nur finster. »Kommt bloß nicht auf dumme Gedanken«, fügte er hinzu, um Zeit zu gewinnen. »Meine Männer sind unterwegs. Sie werden jeden Moment hier sein.«
    Sie glotzten ihn mit offenem Mund an. Er merkte, wie sie allmählich errieten, dass er keine Verstärkung hatte. Sie wollten ihn aus der Reserve locken, stellten sich absichtlich dumm. Oder sie konnten seinen Dialekt vielleicht nicht verstehen. Er wiederholte die Frage langsam und deutlich mit einem Tokyoter Akzent, doch sie starrten weiterhin nur trotzig auf den Boden. Als er herumwirbelte, verzog ein kräftiger Halbwüchsiger

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