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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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zurücklassen mussten. Hier führen sie ein bescheidenes Leben.«
    Nobu nickte. Der alte Mann hatte recht. General Kitaoka hatte vielleicht nicht in einem der prächtigen Häuser im Sumurai-Bezirk gelebt, wie die Familie es in Tokyo getan hatte. Er könnte in einem kleineren Haus gewohnt haben, ohne Platz für Taka und ihre Mutter. Oder er hatte sich nicht einmal zu ihnen bekannt, hatte nicht gewollt, dass sie bei ihm wohnten. Vielleicht hatte er sie einfach ihrem Schicksal überlassen.
    Fujino war eine Geisha. In einer ihr unbekannten Stadt hätte sie sich bestimmt dort nach einer Unterkunft umgeschaut, wo sie sich zu Hause fühlte – im Geisha-Viertel.
    »Achten Sie darauf, dass der Vulkan zu Ihrer Linken bleibt«, riet ihm der alte Mann, als Nobu ihn nach dem Weg fragte. »Sie finden den Geisha-Bezirk am Stadtrand, wie es sich gehört, weit entfernt von den Wohnorten anständiger Leute. Halten Sie nach Salzfeldern, einem Salzbrennofen, einem Sandberg und einem riesigen Friedhof Ausschau, dem größten in ganz Satsuma, und Sie sind da. Salzfelder, Gräber und Prostituierte gehören zusammen, so sagt man in unserer Gegend.«
    Salzfelder, Gräber und Prostituierte … Als Nobu den Samurai-Bezirk in Richtung der schäbigeren Viertel der Stadt verließ, wusste er, dass er sich weit von seinen Kameraden entfernte, die auf der Burg und in den Kasernen untergebracht waren. Die Gefahr wurde größer, aber er entging damit auch neugierigen Blicken. Er begegnete lediglich Kundschaftern und einigen seiner Offizierskameraden, die allein oder zu zweit patrouillierten. Anscheinend war einer ganzen Anzahl von ihnen daran gelegen, sich allein umzuschauen.
    Als er den Kaufmannsbezirk erreichte, gekennzeichnet durch eine Reihe Kiefern, war er bereits den größten Teil des Tages auf der Suche. Er war müde und hungrig, seine Beine schmerzten, und die Füße in den harten Lederstiefeln waren wund gelaufen.
    Die Plünderer hatten ganze Arbeit geleistet. Die wohlhabenden Häuser im Kaufmannsbezirk sahen aus, als wären sie einem Erdbeben zum Opfer gefallen. Sie standen direkt an der Straße, nicht verborgen hinter hohen Mauern, was Plünderungen sehr viel leichter machte. Fast alle Regentüren waren zersplittert oder herausgerissen, und zerbrochene Truhen, ausgeleerte Schubladen, Papierrollen und Seidenballen lagen kreuz und quer auf der Straße verstreut. Die Geschäfte waren verbarrikadiert, trotzdem war in die meisten eingebrochen worden. Eine tote Ratte lag neben verfaultem Gemüse in der Gosse, und räudige Hunde zerrten an blutigen Fleischstücken, knurrten und fletschten die Zähne, als Nobu im weiten Bogen an ihnen vorbeihastete.
    Von Salzfeldern, einem Sandberg und einem riesigen Friedhof war immer noch nichts zu sehen, als Nobu eine schmale, mit kleinen Holzhäusern gesäumte Straße erreichte. Der Geruch nach Haaröl und Parfüm mischte sich mit Staub und Kloakengestank. Ohne Menschen wirkte die Straße trostlos, die Häuser verblichen und schäbig im Nachmittagslicht. Vor fast jedem Haus hing eine Laterne, und er spürte Menschen hinter den geschlossenen Türen. Die halsstarrigen alten Drachen, die diese Häuser führten, würden sich nicht so leicht von ihrer Lebensgrundlage trennen.
    Nobu überprüfte die Namensschilder, doch auf keinem stand Kitaoka. Natürlich war Kitaoka ein viel zu bedeutender Name, um ihn an die Tür einen Geisha-Hauses zu pinseln. Falls Fujino hier war, benutzte sie vermutlich ihren gewerbsmäßigen Namen, aber den kannte er nicht. Wieder war er am Ende seiner Weisheit angelangt.
    Er betrachtete die kleinen Pflanzen, die sich durch die schwarze Vulkanasche drängten. Eine Katze machte sich an ihn heran, strich ihm um die Beine, und er bückte sich, um sie zu streicheln. Es war hoffnungslos. Wahrscheinlich war Taka nicht mal hier. Besser, er gab auf, schloss sich seinen Kameraden wieder an und vergaß diese absurde Suche.
    Dann blitzte etwas Weißes auf, als ein Vogel über die Ziegeldächer strich, auf einem Weidenbaum landete und die Blätter rascheln ließ. Nobu erkannte den langen, schillernden Schwanz, wie ein gefalteter Fächer, die weiße Brust und das schwarze Federkleid. Eine Elster, ein Vogel des guten Omens.
    Sie breitete ihre Flügel aus, zeigte ihren weißen Unterbauch und die Flügelspitzen, flatterte herab und hüpfte die Straße entlang. Nobu musste an die edelmütigen Elstern aus der Tanabata-Geschichte denken, die einmal im Jahr ihre Schwingen aneinanderlegten, um eine Brücke

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