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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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mit breiter Stirn und vorstehendem Unterkiefer die Lippen zu einem anmaßenden Grinsen. Nobu packte ihn am Kragen. »Komm schon, Junge, du wirst doch wohl eine Zunge haben.«
    Das Gesicht des Halbwüchsigen verzerrte sich vor Hass. Er hob die Faust und schlug zu. Nobu sah den Schlag kommen, wich aus, umklammerte das Handgelenk seines Angreifers und verdrehte ihm so fest den Arm, dass der Junge aus dem Gleichgewicht kam. Dann nützte er dessen Schwung und schickte ihn krachend zu Boden. Da sein Fall nicht von Tatamimatten abgefedert wurde, prallte er hart auf.
    Zwei andere muskulöse junge Burschen hatten sich angeschlichen. Aus dem Augenwinkel erhaschte Nobu ein Aufblitzen, als der eine nach einem Schürhaken griff und damit nach Nobus Kopf ausholte. Er duckte sich, schwang das Gewehr herum und trieb den Kolben fest in den Bauch des Mannes. Der Schürhaken fiel klappernd zu Boden, und der Bursche stieß Luft aus wie ein angestochener Ballon und sackte keuchend zusammen. Der dritte wich nervös zurück. Der kräftige Halbwüchsige hievte sich auf die Knie.
    Nobu entsicherte das Gewehr und richtete es auf die Männer. »Möchte es sonst noch jemand mit der Armee Seiner Kaiserlichen Majestät aufnehmen?«, brüllte er. »Wartet nur, bis meine Jungs eintreffen. Dann würdet ihr euch wünschen, ihr hättet es nur mit mir zu tun gehabt. Gebt mir gefälligst eine Antwort!«
    Ein alter Mann mit dunkel gebräunter Schädeldecke und dem weißen Haar zu einem geölten Knoten aufgesteckt, humpelte vor. »Die können Sie nicht verstehen.« Sein Satsuma-Dialekt war stark ausgeprägt. »Und selbst wenn sie es könnten, wüssten sie nichts. Wir sind bloß Dienstboten. Wir wissen überhaupt nichts.«
    »Ich glaube dir nicht. Dein Herr und deine Herrin, wohin sind sie gegangen?«
    »Sie haben sich einfach davongemacht. Wünschte, wir hätten auch gehen können, bevor ihr Dreckskerle eingetroffen seid. Das Gesindel der halben Stadt war hier, hat randaliert, uns zu Tode erschreckt und alles mitgenommen, was ihnen in die Finger kam. Schauen Sie sich ruhig um. Sie werden nichts finden.« Der alte Mann warf die Hände hoch.
    Die anderen Dienstboten hatten die Angreifer auf die Füße gezogen und sich mit finsterem Blick an der Wand aufgereiht. Nobu musste rasch von hier verschwinden.
    Er stöhnte. So kam er nicht weiter. Dann bemerkte er aus dem Augenwinkel, dass etwas nicht stimmte. Irgendwas sah falsch aus. Der Türsturz. Die Haken für die Schwertlanzen waren frisch poliert, doch die Schwertlanze selbst fehlte. Er dachte an den Rasen, an dem er vorbeigekommen war. Das Gras war flach gedrückt, als hätten dort erst kürzlich Kampfübungen stattgefunden. Die Waffenständer im Eingang waren ebenfalls leer. Die Männer würden ihre Schwerter und Gewehre mitgenommen haben, als sie in die Berge aufbrachen, aber das erklärte nicht, warum die Schwertlanzen fehlten.
    »Eure Damen planen doch nicht, uns anzugreifen?«, schnauzte er. »Das wäre sehr töricht.«
    Der alte Mann scharrte mit den Füßen. »Damen haben ihren Zeitvertreib«, murmelte er. »Stickarbeiten, Teezeremonien, Blumenstecken, Schwertlanzen – Sie wissen ja, wie die Damen sind.«
    Schwertlanzen. Unwillkürlich stieg eine Erinnerung in Nobu auf: seine Schwestern, die mit ihren Schwertlanzen übten. Fast konnte er ihre scharfen jungen Stimmen und das Krachen von Holz auf Holz hören, konnte sehen, wie das Sonnenlicht in der frischen Morgenluft durch die Bäume drang. Tränen stiegen ihm in die Augen, und er blinzelte heftig. Das war kein Zeitvertreib gewesen, sondern eine Vorbereitung auf den Krieg. Er fragte sich, ob sich auch Taka den Umgang mit der Schwertlanze zu eigen gemacht hatte. Ihr würde es ähnlich sehen, zu kämpfen, wenn ihre Stadt bedroht wurde.
    Allmählich reichte es ihm, so kam er nicht weiter. Er hatte nichts zu verlieren, wenn er so direkt fragte, wie er sich traute.
    »Wir suchen nach … nach einer Familie.« Den Namen erwähnte er nicht. Niemand würde etwas über den großen Kitaoka oder jemanden aus dessen Verwandtschaft preisgeben. »Wir wollen ihnen nichts Böses. Wir haben gehört, dass sie aus Tokyo hierher gezogen sind.«
    Der alte Mann musterte ihn aus schmalen Augen.
    »Hier würden Sie die nicht finden, wer immer sie sein mögen«, sagte er vorsichtig. »In diesem Teil der Stadt leben nur die alten Familien. Leute aus Tokyo lassen sich hier nicht nieder. Wenn sie hier ankommen, haben sich ihre Lebensverhältnisse verschlechtert, weil sie alles

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