Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Besonderes mehr an einem Mann, der Stiefel unter einem gegürteten Gewand trug und ein Gewehr dabeihatte.
Ein Windstoß rüttelte an den Jalousien, und in der Ferne ertönte ein Signalhorn. Nobu hörte das ferne Rumpeln von marschierenden Stiefeln, Pferden und Geschützen und schüttelte verwundert den Kopf über diesen Zauber, der ihn anscheinend im Bann hielt. Er sollte schnellstens von hier fort, bevor jemand argwöhnte, Nobu hätte etwas Verbotenes getan, und nicht bei einer verrückten Mission alles aufs Spiel setzen.
Doch dann trat Taka in die Sonne hinaus, und sein Herz machte einen Satz. Er hatte sie in ihren westlichen Kleidern mit den ausladenden Röcken in Erinnerung, die beim Gehen raschelten. Wie viel schöner war sie jetzt in einem schlichten Kimono, den Saum hochgesteckt, sodass ihre schlanken weißen Fesseln zu sehen waren, dazu einen kegelförmiger Hut auf dem schimmernden schwarzen Haar. Er konnte kaum den Blick von ihr wenden.
Taka hatte sogar die wenigen kostbaren Dinge zurückgelassen, die sie aus Tokyo mitgebracht hatten. Nur ihre Schwertlanze nahm sie mit und ein Tragetuch voll Orangen und Süßkartoffeln. Niemand hätte je erraten, dass sie einst in einem Haushalt voller Dienstboten gelebt und in einer Pferdekutsche gefahren war.
Stirnrunzelnd richtete sie sich auf und packte ihre Schwertlanze fester. »Geh zurück zu deinem Regiment. Ich finde mich allein zurecht. Du brauchst dich nicht in Gefahr zu bringen.«
Nobu wusste, dass sie stolz war, doch er war genauso stur. »Ich habe so lange nach dir gesucht und lasse dich nicht allein gehen. Ich bringe dich zum Haus der Kitaokas. Wir sollten uns beeilen.«
Taka zögerte, verneigte sich dann fügsam und ging los. Nobu folgte ihr, bedeckte seinen kurzen Armeehaarschnitt mit einem Reisehut, der groß genug war, sein Gesicht zu verbergen, und nahm sein Gewand hoch, damit es sich nicht zwischen den Beinen verhedderte. Jeder Beobachter würde seine Gamaschen und die roten Streifen an seinen Hosenbeinen sehen können, aber er hoffte, man würde es für die neueste Mode halten.
Ihm kam es seltsam vor, hinter ihr herzugehen. Normalerweise folgten Frauen einem Mann mit einem sittsamen Abstand von drei Schritten. Doch vielleicht war es so am besten. Die Leute würden denken, sie wäre eine vornehme Samurai und er ihr Diener und Leibwächter.
Er sah sie mit kleinen Schritten vor sich hertrippeln, den Kopf anmutig geneigt. Noch immer konnte er es kaum glauben, dass er sie gefunden hatte – und sie mochte ihn wirklich. Er lief Gefahr, die Bedrohung zu vergessen, in der sie sich befanden, dass Eile geboten war und welches Risiko er einging, auch nur hier zu sein. All das spielte keine Rolle, wenn er nur bei ihr sein, ihr Lächeln und die dunklen, schwermütigen Augen sehen, ihre sanfte, ernste Stimme hören konnte. Er wusste, es war Wahnsinn und dass er sich schon bald zusammenreißen musste, doch er wollte jeden Moment auskosten, bevor die Trennung unvermeidlich wurde.
Am kleinen, rot bemalten Inari-Schrein im Zentrum des Geisha-Bezirks wandte sie sich landeinwärts, fort von dem glitzernden Wasser der Bucht und dem großen Asche speienden Vulkan.
Sie kamen durch ein Viertel, in dem Ausgestoßene lebten, Menschen, die Arbeiten verrichteten, welche den höheren Schichten verboten waren, aus Angst vor ritueller Ansteckung, wie Hinrichtungen durchzuführen oder mit Tierkadavern zu arbeiten. Diese Menschen waren von so niederer Herkunft, dass sie außerhalb des Ständesystems standen, als unberührbar oder nicht einmal menschlich betrachtet wurden.
Ein fleischiger, ranziger Geruch hing in der Luft, ein Zeichen dafür, dass man hier Tiere schlachtete und Leder gerbte. Salzbrennöfen ragten wie monströse Bienenkörbe aus den öden, mit Salz bedeckten Feldern auf, doch statt tosender Flammen und dicker Rauchwolken war alles grau und still. Möwen kreisten und schrien. Nobu spürte Menschen hinter den geschlossenen Türen, auch wenn niemand zu sehen war. Sie durchquerten einen Friedhof, Nobu mit vorsichtigen Schritten, da er sich zwischen den schwarzen Granitblöcken schrecklich ungeschützt fühlte. Räucherwerk und frische Blumen gab es nicht, niemand betete oder säuberte die Grabsteine, nur die Toten waren hier.
Sie erreichten ein Straßengewirr mit Kiefern, Kirsch- und Pflaumenbäumen hinter Bambuszäunen um ordentliche, strohgedeckte Häuser. Schritte hasteten durch die Gassen, und Gestalten verschwanden durch Gartentore. Nobu tastete nach dem
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