Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
zurück. Seine Stimme, seine Worte zogen sie in Bann, vertrieben ihre Befürchtungen, brachten sie dazu, ihren Argwohn zu vergessen, zogen sie mit einer so mächtigen Kraft zu ihm, dass es sie ängstigte. Mehr als alles andere wollte sie zu ihm laufen und sich in seine Arme werfen. Doch selbst wenn sie ihm vertraute und ihm glaubte, selbst wenn seine Absichten ehrlich waren, spielte es keine Rolle. Es war zu spät. Sie konnte jetzt nie mehr mit ihm zusammen sein.
Plötzlich wurden ihre Gedanken von Lärm unterbrochen. Es krachte, als wäre eine Tür eingetreten worden, und von draußen waren rennende Schritte zu hören. Taka war so auf Nobu und ihr Gespräch konzentriert gewesen, dass sie nichts bemerkt hatte. Soldaten, bereits in ihrer Nachbarschaft. Nobu hatte sie gerade noch rechtzeitig gefunden. Wenn er ihr wirklich zur Flucht verhelfen wollte, müsste er seine eigenen Männer belügen, vielleicht gegen sie kämpfen. Er könnte vor das Kriegsgericht gestellt, sogar ihretwegen hingerichtet werden. Er ging ein schreckliches Risiko ein.
Nobu runzelte die Stirn und griff nach seinem Gewehr.
Takas Schwertlanze lehnte an der Wand des inneren Raumes. Sie sprang die letzten Stufen hinunter und wollte an Nobu vorbeischlüpfen, doch er packte sie am Ärmel, drehte ihr die Arme auf den Rücken und legte ihr die Hand auf den Mund. Sie wehrte sich, war sich der Wärme seines Körpers bewusst, seiner starken Muskeln, und spürte, wie ihr Widerstand verebbte.
»Lass mich das machen«, zischte er.
Er schob sie die Treppe hinauf, legte den Finger an die Lippen, und sie wich in den Schatten des oberen Raumes zurück, stolperte über die am Boden verstreuten Sachen und kauerte sich hinter die offene Truhe, den Dolch in der Hand.
Die alte Tür ratterte in der Führungsrille, und Licht flutete ins Untergeschoss, als Nobu hinaustrat.
»Yoshida, siebte Division«, rief er. »Bei der Hausdurchsuchung.« Seine Stimme war schneidend, und er sprach in rauem Edo-Dialekt. Eine Autorität lag darin, die Taka nie zuvor bei ihm gehört hatte. Sie kannte ihn kaum noch und musste sich fragen, ob sie ihn je gekannt hatte. Zu hören, wie er sich in diesen strengen Krieger verwandelte, erfüllte sie mit einem ungewohnten, erregenden Gefühl.
Schatten bewegten sich und Stiefel knirschten. »Entschuldigung, Leutnant. Wussten nicht, dass Sie hier sind.« Die Stimme eines jungen Burschen, kaum alt genug, ein Mann zu sein.
»Verdammte Offiziere, rennen hier herum wie Ronin, stellen ihre eigenen Regeln auf«, nuschelte eine ältere Stimme. »Haben wohl eine Frau gefunden, was? Wir wissen alle, was hier los ist.«
»Hält sie gut versteckt!« Aus dem Gelächter schloss Taka, das sie zu fünft oder sechst sein mussten. Sie hielt den Atem an.
»Wünschte, es wäre so, mein Freund.« Nobus autoritärer Ton duldete keinen Widerspruch. »Private Mission, auf Befehl von General Nakamura. Habe die Hälfte der Häuser in dieser Straße durchsucht. Fand ein paar alte Damen, aber abgesehen davon ist das hier der reinste Friedhof.«
»General Nakamura, ja?« Sie konnte die Männer beinahe scharren und sich verbeugen sehen.
»Vertraulich. Haben Sie etwas gefunden?«
»Bettler, alte Frauen. Nicht ein Rebell weit und breit.« So ging es noch ein wenig hin und her, bis Taka zu ihrer Erleichterung den älteren Mann sagen hörte: »Dann ziehen wir mal weiter.«
Füße scharrten, Hacken wurden zusammengeschlagen und Uniformen raschelten, als die Männer salutierten. Die Schritte verklangen. Nobu schob die Tür zu und verriegelte sie.
Einen Augenblick später tauchte er oben an der Treppe auf. »Das verschafft uns ein wenig Zeit.«
Sein Gesicht wurde von der nachmittäglichen Sonne erhellt, die durch die Shoji um den Balkon hereinsickerte. Es war so offen und ohne Falsch, dass sie sich schämte, je Zweifel an ihm gehabt zu haben. Sie dachte an den mageren Jungen, der in der Schwarzen Päonie in ihr Leben geplatzt war, an den rätselhaften Jugendlichen, dem sie das Lesen beigebracht und der ihr eine neue Möglichkeit gezeigt hatte, die Welt zu betrachten, an den jungen Mann, auf den sie gewartet hatte, voller Sorge, ihn nie wiederzusehen oder je von ihm zu hören. Und nun war er hier, in diesem nach schimmeligen Tatamimatten riechenden Raum mit den verblichenen Wänden und der offenen Truhe.
Um Kinn und Wangen zeigte sich dunkler Flaum, und er war sonnenverbrannt und hagerer, aber das machte ihn nur noch anziehender. Er hatte seine Kappe abgenommen, sein
Weitere Kostenlose Bücher