Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
sich um sie. Fliegen summten, eine Küchenschabe krabbelte über die Fußleiste, und zwei Katzen jaulten und jagten einander durch die Gasse. Ein Blumentopf fiel krachend um.
Mit erhitzten Wangen zog Taka ihren Kimono zusammen, steckte ihr Haar zu einem Knoten auf und kniete sich ihm sittsam gegenüber. Sie würde stark sein, sie konnte mit allem fertigwerden, redete sie sich ein. Verzweiflung flutete über sie hinweg und hüllte sie ein. Sie schluckte schwer, ihre Lippen bebten. Samurai weinen nicht, ermahnte sie sich streng, genauso wenig wie Geishas. Sie legte die Hand über das Gesicht. Sie würde jetzt nicht weinen – und später, wenn die Zeit des Abschieds kam, würde sie auch nicht weinen. Ihre Schultern verkrampften sich vor Schmerz. Sie versuchte zu sprechen, brachte jedoch kein Wort heraus. Zitternd holte sie Luft, dann noch einmal.
»Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen«, stieß sie schließlich hervor. »Ich kann es nicht ertragen, dass du gehst, dass wir uns wieder trennen müssen, dass meine Stadt niedergebrannt und es Kämpfe geben wird.«
Sie spürte Nobus Arme um sich.
»Du musst tapfer sein. Du bist tapfer.« Sein Gesicht war sehr ernst. »Unser Schicksal liegt nicht in unseren Händen. Wir müssen damit zurechtkommen, so gut es geht.« Während der Zeit ihrer Trennung war er erwachsen geworden. Sie sah ihm in die Augen, suchte nach Hoffnung, konnte jedoch keine entdecken.
»Ich wünschte, wir könnten zusammen fortlaufen, irgendwohin, wo uns keiner findet«, stöhnte sie.
»Wir müssten uns für den Rest unseres Lebens verstecken.« Seine Stimme war sanft. »Der Krieg wird bald enden, und dann werden wir keine Feinde mehr sein. Doch davor wird es noch zu Kämpfen kommen.«
»In dieser Stadt?«
Er nickte und drückte sie an sich. Dann fragte er: »Aber warum ist sie so leer? Wo sind all die Menschen?«
»Sie bekamen Angst, als die Kriegsschiffe auftauchten. Sie sagten, die Armee würde alle töten und die Stadt niederbrennen.«
»Wie es die Satsuma mit den Menschen von Aizu gemacht haben – meinem Volk.« Seine Miene verfinsterte sich, und seine Augen wurden zu dunklen Höhlen. Sie zuckte zusammen, fragte sich, welche schrecklichen Dinge er gesehen hatte, Dinge, die sie sich nicht einmal würde vorstellen können und von denen sie nur hoffen konnte, sie nie selbst zu sehen. Er blickte sie streng an. »Die Armee Seiner Kaiserlichen Majestät ist anders. Wir müssen Befestigungsanlagen bauen, um diesen Ort zu verteidigen, wir können nicht zulassen, dass dein Vater ihn wieder einnimmt, doch wir werden uns ehrenvoll benehmen. Darauf sind wir stolz.«
»Du hast gesagt, du fürchtest um meine Sicherheit.«
»Es gibt auch schlechte Männer. Die Armee ist groß, und es wurden Männer eingezogen, die keine Samurai sind, über die wir nichts wissen.«
Taka senkte den Kopf. Sie musste ihm vertrauen, musste das tun, was er verlangte. »Alle sind fort, alle außer mir. Einige sind zum Sakurajima geflohen, andere haben sich in die Berge zurückgezogen.«
»Zum Sakurajima? Du meinst, zum Vulkan?«
»Auf den niederen Hängen werden Orangen angebaut, Bauern leben dort. Aber meine Mutter ist so dickköpfig. Sie wollte Madame Kitaoka finden.«
»Das ist also der Grund, warum …«
Sie nickte. »Ich habe mich geweigert mitzukommen. Sie ist mit Okatsu und ihrer Freundin Kiharu gegangen. Sie wollten das Haus der Kitaokas suchen.«
»Lass mich dich dorthin bringen, zu deiner Mutter.«
Taka lachte wehmütig. »Ich wollte mich den Samurai-Frauen anschließen, wir wollten ein Schwertlanzenkorps bilden und kämpfen, aber als ich dort ankam, waren sie fort.«
»Ich habe den Samurai-Bezirk nach dir durchsucht. Da waren keine Samurai-Frauen. Du bist als Einzige geblieben. Du bist die Mutigste von allen.«
»Oder die Dümmste.« Wenigstens würde sie sich von ihm zu ihrer Mutter bringen lassen. Das würde ihnen eine oder zwei kostbare Stunden mehr schenken. Was sollte sie sonst tun? Sie konnte nirgendwo anders hin.
34
Mit dem Gewehr im Anschlag blickte Nobu die schmale Straße hinauf und hinunter. Gesichter zogen sich hinter Bambusjalousien zurück, die den Obergeschossen Schatten spendeten. Er überlegte, wie viele verborgene Beobachter wohl einen Soldaten bemerkt hatten, der ein Haus ohne Laterne betrat, und einen traditionell gekleideten Mann herauskommen sahen.
Nobu hatte eins von Eijiros Gewändern über seine Uniform gezogen, um unauffälliger zu wirken. Zum Glück war inzwischen nichts
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