Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Gewehr über seiner Schulter und dem Dolch im Gürtel, denn hier befanden sie sich in Feindesgebiet.
Als sie an einen breiten Fluss mit einer Holzbrücke und Weiden am Ufer kamen, atmete er erleichtert auf. Taka kletterte die mit Gras bewachsene Böschung hinunter.
»Der Kotsuki«, sagte sie atemlos, kniete nieder und tauchte ihre Finger hinein. »Hier sieht uns niemand. Können wir für einen Moment ausruhen?« Sie keuchte. Rote und orangefarbene Fische schossen durch das klare Wasser. Taka schaute zu Nobu auf, ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen funkelten. »Mein Vater wurde hier in der Gegend geboren. Er stammt aus einer niederen Samurai-Familie, daher wohnten sie weit von der Burg entfernt. Soviel ich weiß, steht sein Haus irgendwo auf der anderen Seite des Flusses, ein Stück nach Norden, über die Nishida-Brücke.«
Nobu lächelte sie an. »Ich dachte, er wohnt in einer Samurai-Residenz«, sagte er. »Dort habe ich nach dir gesucht.«
Sie legte ihren Hut ins Gras, setzte sich und schlug die Beine unter. Er ging neben ihr in die Hocke, bereit, jederzeit aufzuspringen, legte seine Hand auf die ihre und genoss das Gefühl ihrer weichen, kühlen Haut. Bald würde die Sonne untergehen, und er wusste, dass sie sich beeilen mussten, aber er wollte die ihnen verbleibende Zeit so lange wie möglich ausdehnen. Bienen summten um die Büschel gelber, blauer und violetter Wildblumen.
»So jemand ist er nicht.« Taka pflückte eine Schlüsselblume ab. »Wenn du ihm begegnet wärst, würdest du es verstehen. Er ist bescheiden, ist nicht an Reichtümern, Luxus oder einem aufwendigen Leben interessiert. Oft hat er meine Mutter dafür geschimpft, so extravagant zu sein, und sie wurde böse auf ihn, weil er sich weigerte, Geld für Haushaltsdinge oder Kleider auszugeben. Er besitzt ein strohgedecktes Haus oberhalb der Bucht. Dort verbringt er die meiste Zeit – tat es zumindest, bis er in den Krieg zog. Am liebsten schreibt er und studiert, geht mit seinen Hunden auf Kaninchenjagd, zum Angeln oder zum Baden in den heißen Quellen. Er ist gern mit seinen Schülern zusammen. Diese selbstgefälligen Politiker in Tokyo, die nur an Geld interessiert sind, kann er nicht leiden. Er sagt, mächtige Männer sollten auch Männer mit Prinzipien sein. Mir ist egal, was du denkst. Er ist ein wunderbarer Mann.«
Sie hatte Tränen in den Augen. Nobu nahm seine Hand weg, hob einen Stein auf und warf ihn ins Wasser. Gern hätte er gesagt: Da steckt mehr dahinter als das, mehr als korrupte Politiker. Wir können es uns nicht leisten, dass sich das Land in Fürstentümer aufspaltet. Wir müssen uns vereinen und stark sein. Er holte Luft. Die Worte lagen ihm auf der Zungenspitze. Er führt einen bewaffneten Aufstand gegen die Regierung. Er kann nicht einfach das Gesetz selbst in die Hand nehmen. Und er ist der General jener Armee, die meine Stadt zerstört hat, meinen Clan, mein Leben und meine Familie. Die unausgesprochenen Gedanken stachen schmerzhaft in seiner Brust. Er ballte die Fäuste.
Aber er sagte nichts. Eines Tages würde er ihr von der Burg Aizu-Wakamatsu erzählen, von seiner Mutter, seinen Schwestern und seiner Großmutter, doch wenn er Bitterkeit in seine Worte legte, würde das einen Keil zwischen sie beide treiben. Besser, er schwieg. Taka hatte recht gehabt. Sie waren keine Einzelwesen, sie gehörten zu ihren Clans, konnten ihnen nie entkommen. Mit einer Vergangenheit so voller Hass, wie konnten sie da je zusammen sein? Und doch, was immer es war, das sie verband, es schien selbst das zu überwinden, selbst das.
»Der Krieg wird bald vorbei sein.« Seine Worte waren unzureichend, doch was konnte er sonst sagen? Außerdem wusste er, dass der Krieg nur mit der Niederlage ihres Clans enden konnte, und dann würde sie ihn hassen.
»Entweder ihr gewinnt, oder wir«, erwiderte sie mit blitzenden Augen. »Wenn unsere Kundschafter kamen, um Nachschub zu holen, erzählten sie uns, der Sieg sei nahe, unsere Männer würden bald auf dem Weg nach Tokyo sein.«
Er runzelte die Stirn. Wie kannst du so blind sein? , wollte er fragen. Schau dir deine Stadt an. Alle sind geflohen. Liegt es nicht auf der Hand, wer gewinnt? Aber angesichts ihrer großäugigen Unschuld konnte er es nicht ertragen, ihre Hoffnung zunichte zu machen. Trotzdem fühlte er sich gekränkt durch ihr Gerede über General Kitaoka. Sie wusste, dass ihr Clan den seinen besiegt hatte, doch sie dachte keinen Augenblick darüber nach, was er empfinden musste.
»Was
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