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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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hatten. Dann merkte er, dass es Taka war. Sie hatte einen Stein aufgehoben und ihn hoch in die Luft geschleudert. Das musste sie beim jährlichen Federballspiel an Neujahr geübt haben, dachte Nobu, oder sie hatte in ihrer modernen Schule das Werfen gelernt. Sie warf noch einen Stein, und er traf klappernd die Mauer des gegenüberliegenden Hauses.
    Die Männer schraken auf, und ihre Köpfen fuhren zu dem Geräusch herum. Nobu grinste in sich hinein. Typisch für Sakurai, auf diesen alten Trick hereinzufallen.
    Taka lächelte triumphierend. Noch nie war sie ihm so schön erschienen. Ihm ging auf, wie außergewöhnlich es war, mit ihr zusammen zu sein, nicht in Tokyo, sondern ausgerechnet in Satsuma, und das mitten im Krieg. Die sanfte junge Frau, die er so gut zu kennen meinte, besaß eine Härte, von der er nichts geahnt hatte.
    »Wir brauchen Verstärkung«, brüllte Sato. Seine Stimme zitterte. »Hier muss ein ganzen Nest sein.«
    »Nee, das ist bloß einer, und eine Frau«, brüllte Sakurai zurück, klang aber unsicher.
    »Wir haben in ein Wespennest gestochen. Die werden sich über uns hermachen.«
    Plötzlich kam ein Stein aus dem Nichts geflogen und traf Sakurai an der Schulter, prallte ab und fiel klappernd zu Boden. Der große Mann schrie auf und machte einen Satz zurück. Nobu schaute sich verblüfft um. Ein weiterer Stein traf Satos Schulter, und ein dritter knallte gegen Sakurais Bein. Fluchend hüpfte er herum. Die Soldaten hoben ihre Gewehre und schossen wild um sich, trafen Hecken und Bäume, jagten ganze Vogelschwärme auf, durchlöcherten Hauswände und holten Strohklumpen von den Dächern, kamen aber gegen ihre unsichtbaren Angreifer kein Stück voran. Steine flogen aus allen Richtungen.
    Nobu lud und schoss, so schnell er konnte, schickte eine Kugel nach der anderen über die Köpfe der Männer hinweg. Taka hielt sich die Ohren zu. Der Lärm war ohrenbetäubend.
    Dann ertönte ein Knall aus dem gegenüberliegenden Haus, und eine Kugel pfiff an den Soldaten vorbei und bohrte sich in einen Baumstamm. Sie sprangen zurück und schauten sich verwirrt um. Einer der Wehrpflichtigen zog ein weißes Taschentuch heraus und wedelte damit. »Wir ergeben uns!«, rief er. Die drei machten kehrt und gaben Fersengeld.
    Nobu grinste breit. Das waren Einheimische, die sich versteckt gehalten hatten. Sie waren aus ihren Schlupfwinkeln gekommen, um ihre Mitbürger zu verteidigen – ihn und Taka. Wenn Sakurai und Sato Pech hatten, würden sie verwundet, vielleicht getötet werden. Ihm schoss durch den Kopf, dass er ihnen eigentlich zu Hilfe eilen müsste, aber sie waren nie seine Freunde gewesen, und wenn er es tat, wenn er ihnen half, würde er selbst getötet werden. Auf jeden Fall würde er niemals Taka im Stich lassen, ganz egal, was geschah.
    Nobus Herz hämmerte immer noch, und in seinen Ohren klingelte es. Alles war so schnell geschehen, dass er keine Zeit zum Nachdenken gehabt hatte. Er hatte Taka beschützt, hatte nichts getan, wofür er sich schämen müsste, und niemand war ernsthaft verletzt worden. Aber er wusste, dass es nur der Vorgeschmack des Krieges war. Bald würde er in die echten Kämpfe verwickelt werden, und dann würde es weder für ihn noch für alle anderen ein Pardon geben.
    »Wenn sie noch näher gekommen wären, hätte ich sie mit meiner Schwertlanze in Stücke gehauen«, sagte Taka leise und zupfte Zweige aus ihrem Haar. Er nickte. Frauen brauchten nichts vom Krieg zu wissen. Ihm zerriss es das Herz, sie so zu sehen, das Gesicht gerötet vor Aufregung, die Augen blitzend. Ihr Haar hatte sich gelöst und hing in schimmernden Strähnen um ihr Gesicht. Allzu bald würde ihre gemeinsame Zeit vorbei sein, und er müsste in die raue Welt der Armee zurückkehren.
    Menschen kamen herausgeströmt, füllten die schmale Gasse, warfen den fliehenden Gestalten Steine nach. »Ihr nennt euch Soldaten? Sagt euren Generälen, sie sollen die Satsuma in Ruhe lassen!« Ein alter Mann mit einem Gewehr schoss aufs Geratewohl, brachte die fliehenden Soldaten dazu, Haken zu schlagen.
    Nobu löste sein Gewand und zog es hinunter, um seine Gamaschen zu verbergen, dann schüttelten Taka und er Schmutz und Blätter von ihrer Kleidung und stießen das Tor auf.
    Die Menschen draußen waren klein und hager, hatten nussbraune Gesichter und waren traditionell gekleidet. Da waren Frauen mit schmalen Wangen in ausgebeulten Hosen und indigoblauen Arbeitsjacken, rotznäsige, barfüßige Kinder, knorrige Kriegsveteranen, denen

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