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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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angelangt. Hinter Hecken verborgene Häuser waren auf ein Flickwerk aus Reis-, Gemüse- und Hirseanpflanzungen ausgerichtet. Alles roch nach saftigem Grün, jungen Blättern und frisch gepflügter Erde, dahinter der Vulkan in dunstiger Ferne. Reisschösslinge ragten wie leuchtend grüne Speere aus dem blendend hellen Wasser, das die Felder überflutete, doch niemand arbeitete dort. Ochsenfrösche quakten, ein Reiher schlug mit seinen weißen Schwingen und ließ sich auf einem Damm zwischen den Feldern nieder.
    Sie waren Hand in Hand gegangen und hatten bei jedem Tor angehalten, um das Namensschild zu lesen. Takas Herz pochte ihr immer noch bis zum Hals. Sie hätte sich nicht vorstellen können, dass sie bei einem Angriff kämpfen würde, statt zu fliehen. Noch nie hatte sie sich so lebendig gefühlt, auch wenn sie immer noch am ganzen Leib zitterte. Sie hörte die Schüsse, spürte Kugeln an sich vorbeipfeifen, sah Rauch, roch Schießpulver. Erst jetzt, nachdem alles vorbei war, fuhr ihr die Angst in die Glieder – nicht um sich, sondern um Nobu und ihren Vater, dem es Tag für Tag gelingen musste, viel schlimmere Kämpfe als diesen zu überleben. Sie wünschte, sie könnte mehr tun, als nur zu hoffen und zu beten, dass sie lebend zurückkehren würden.
    »Hier ist es«, sagte Nobu. Taka las die winzigen Schriftzeichen auf dem Namensschild, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    Fast hatte sie vergessen, wohin sie wollten. Nun wurde ihr erschreckend bewusst, wie unsicher ihre Lage war. Sie wusste weder, ob Madame Kitaoka oder ihre Mutter hier waren, noch wie Madame Kitaoka sie empfangen würde. Sobald sie durch dieses Tor trat, wäre sie in einer anderen Welt, zu der Nobu nicht gehörte – nicht gehören konnte.
    »Vielleicht ist niemand da …« Vielleicht könnten sie doch noch zusammen fortlaufen. Sie könnten in den Bergen verschwinden, und niemand würde sie je finden. Der Gedanke wärmte sie wie ein Sonnenstrahl. Ihre Blicke trafen sich, und sie überlegte, ob Nobu das Gleiche dachte. Doch das war unmöglich. Wie die Vögel einer Schar, die Bienen eines Schwarms gehörten sie zu ihren Clans. Ohne sie konnten sie nicht existieren.
    Nobu richtete sich auf. »Ich bin ein Soldat der kaiserlichen Armee, und das hier ist das Haus von General Kitaoka. Ich warte am Tor, bis alles geklärt ist.« Sie merkte, wie er sich versteifte, zurückhaltender wurde, da nun die Zeit des Abschieds näher rückte.
    »Bitte komm mit. Wenn da ein Wächter ist, wird er glauben, du wärst mein Diener.«
    Er zog den Obi fester, aber durch die Uniform darunter wirkte Eijiros einst adretter Kimono zerknittert und ausgebeult. Außerdem war Nobus Militärhaarschnitt ohne den Strohhut nicht zu übersehen.
    Die Farbe auf dem wackeligen Tor zum Haus ihres Vaters war verblasst, das Strohdach darüber von der Sonne ausgeblichen. Das Tor knarrte in den Führungsrillen, ließ sich jedoch glatt zurückschieben. Hinter einem von Hecken eingefassten Pfad waren Bambushaine und ein Gemüsegarten zu sehen. Eine Hacke und ein paar Körbe lagen am Rand, daneben eine Tragmulde, die noch nach Fäkalien stank – menschliche Exkremente, die als Dünger benutzt wurden.
    Sie gingen den Pfad hinauf, vorbei an wogenden Bambushainen, zu einer Häuseransammlung mit Erdwänden und steilen Strohdächern, auf denen Iris wuchs. Hier lebte also ihr Vater. Genau wie er waren die Gebäude robust, anspruchslos, nüchtern. Stränge leuchtend orangefarbener Persimonen und dicker weißer Rettiche hingen an den Dachtraufen, und Maulbeerblätter lagen auf Tabletts zum Trocknen ausgebreitet.
    Einen prächtigen Vordereingang gab es nicht, nur Veranden, die um die Gebäude verliefen. Alles war bescheiden, ein Rückzugsort, ganz anders als die Tokyoter Residenz, in der Taka gewohnt hatte.
    Sie kamen an einem Brunnen mit Ziegeldach vorbei, einem weiß gekalkten Reisspeicher und einem Gebäude, das wie eine Küche aussah. Dort hockte ein Mann auf den Fersen und ließ die dünnen braunen Arme auf den Knien ruhen.
    Taka näherte sich ihm zaghaft. »Entschuldigen Sie …«
    Er nahm einen langen Zug aus seiner Pfeife, stieß den Rauch aus und blickte auf.
    »Die ersten Menschen, die ich heute zu sehen kriege.« Er hatte ein breites, ledriges Gesicht und mehr Lücken als Zähne im Mund. »Hab vor einer Weile eine Menge Lärm gehört. Kann wohl kein Feuerwerk sein, denk ich, nicht um diese Jahreszeit. Muss wohl die Armee in der Stadt sein. Die Herrin ist fort, alle sind fort. Sind

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