Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
aufgebrochen, sobald wir hörten, dass die Soldaten kommen. Nicht, dass irgendjemand der Herrin etwas antun würde, aber sicher ist sicher. Was hast du da?«
Taka nahm den Hut ab, legte ihr Bündel auf die Veranda und band es auf. Die Orangen und Süßkartoffeln schimmerten wie Gold in der Nachmittagssonne. Der Wächter nahm sich eine Orange.
»Du musst die Tochter des Herrn sein«, sagte er und schälte die Orange so sauber, dass sich die Schale wie Blütenblätter öffnete. »Du hast etwas von ihm in deinem Gesicht. Zum Glück hast du seinen Leibesumfang nicht geerbt. Oder den deiner Mutter.«
Taka lachte. »Meine Mutter war also hier?«
Der Wächter lockerte die Schnitze voneinander, hob einen heraus und steckte ihn sich in den Mund. »Sie ist mit der Herrin gegangen. Sagte, du würdest schon irgendwann hier auftauchen, und ich sollte dich da raufbringen. Weit ist es nicht, ein Ri oder so, durch das Tal am Fluss, dann einen Bergpfad hinauf. Ist ein bisschen Kletterei. Für den größten Teil des Weges können wir Pferde nehmen.« Er kniff die Augen leicht zusammen und musterte Nobu, der schweigend neben der Veranda hockte.
»Das ist mein Diener. Er kehrt in die Stadt zurück. Wie kann er mir am besten eine Nachricht zukommen lassen?«
»Taubstumm, was? Ist immer am sichersten, wenn man Geheimnisse hat. Er kann mich hier finden. Selbst wenn Soldaten den Ort überrennen, werde ich bleiben. Wenn er mich nicht findet, kann er nach der Hütte der Herrin in den Bergen suchen. Schreib den Namen für ihn auf: West-Beppu. Doch wenn es wirklich schlimm werden sollte, wird niemand mehr hier sein. Dann sind wir alle tot.«
Taka begleitete Nobu über den Pfad zwischen den Hecken hindurch zum Tor, dankbar, dass der Wächter sie dort nicht sehen konnte. Sie hielten sich nicht an den Händen. Taka ging mit schweren Schritten, wie betäubt vor Traurigkeit. Zu sagen gab es nichts mehr, für Pläne oder Versprechungen war es zu spät. Sie wagte nicht einmal, ihn zu bitten, zu ihr zurückzukommen, oder ihm zu versprechen, hier zu sein, wenn er kam.
»Ich hoffe, du findest den Weg«, sagte sie hilflos. Der Bambus raschelte, und winzige Vögel flatterten herum. Insekten schwärmten und summten.
»Ich gehe auf den Vulkan zu.« Sie sah den Sakurajima über den Feldern aufragen.
Er deutete auf Eijiros Gewand, das sich beim Gehen um seine Beine schlang. »Macht es dir was aus, wenn ich das behalte, bis ich wieder in dem von der Armee kontrollierten Gebiet bin? Ich werde versuchen, es dir zurückzubringen.«
Sie lachte traurig. »Wirf es einfach weg.« Die Stadt würde brennen, Eijiro war fort, alles würde zerstört werden. Wen kümmerte da noch ein Kleidungsstück? Es hatte seinen Zweck erfüllt.
Am Tor blieben sie stehen. Taka verneigte sich und sagte förmlich: »Danke, dass du dich um mich gekümmert hast.«
Sie blickte hinauf zu seinen ernsten braunen Augen, der markanten Nase, dem kantigen Gesicht, dem vollen Mund und dachte an das Gefühl seiner Lippen auf den ihren. Ein letztes Mal wollte sie ihm über die Wange streichen, empfand aber eine plötzliche Scheu. Irgendetwas hatte sich in seinem Gesicht verändert. In Gedanken war er bereits zurück bei der Armee und bereitete sich auf den Kampf vor. Er war durch und durch Samurai, erkannte sie jetzt. Das war der Grund, warum er immer so rätselhaft gewirkt, warum er einen so unglaubwürdigen Dienstboten abgegeben hatte.
Und auch sie war eine Samurai, rief sie sich ins Gedächtnis, die Tochter des größten aller Samurai.
Er griff nach ihrer Hand und drückte sie an seine Lippen. »Ich werde dich nie vergessen. Falls die Götter mich verschonen, falls ich noch lebe, wenn der Krieg vorbei ist, werde ich kommen und dich finden. Das verspreche ich dir.«
Taka schluckte, blickte auf den mit Vulkanasche bedeckten Boden und blinzelte heftig. Sie wollte, dass er ihr Gesicht lächelnd in Erinnerung behielt.
»Ich bitte dich, gib acht auf dich und komm gesund zurück«, flüsterte sie.
»Das liegt in den Händen der Götter.«
»Also heißt es, Abschied zu nehmen …« Wenn sie auf derselben Seite gewesen wären, hätte sie ihm Glück und Erfolg wünschen können. Aber Erfolg für ihn hätte Verhängnis für ihren Vater bedeutet, und das konnte sie ihm nicht wünschen. Sie schaute ihn an, hoffte, er würde es verstehen.
Doch eines konnte sie ihm trotzdem noch sagen. Plötzlich war sie der Überzeugung, wenn sie ihrem Wunsch stark genug Ausdruck gab, würden die Worte
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