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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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Gedanken an Haru, der lieben Haru, in einem Haus voll fremder Menschen. Sie musste so einsam sein. Taka seufzte. Bald würde sie auch solche Briefe schreiben, voll leerer Phrasen, die nichts verrieten, denn bald würde auch sie in ein anderes Haus geschickt werden.
    Die Kirschbäume standen in voller Blüte, als Fujino den Besuch einiger ihrer Geisha-Freundinnen für den morgigen Tag ankündigte. Ein berühmter Tanzmeister war in der Stadt und würde ihnen neue Tänze beibringen, dann würden sie eine Teezeremonie abhalten und gemeinsam speisen.
    »Stör uns nicht«, wies sie Taka an. »Beschäftige dich eine Weile allein, wenn du aus der Schule kommst.«
    Am nächsten Tag war Taka schon lange vor dem Morgengrauen auf. Rosa Streifen zeigten sich am Himmel, und die Luft war frisch, als Taka aus dem Haus kam und Nobu neben der Rikscha stehen sah, ihre Bücher und das lackierte Kästchen mit ihrer Mittagsmahlzeit zum Bündel geschnürt. Gewaschen, rasiert und das Haar zu einem Haarknoten geölt, in dem gestreiften Gewand und der schmalen Schärpe, die ihre Mutter ihm gegeben hatte, sah er richtiggehend vornehm aus. Alle Mädchen in der Schule hatten Diener, die ihnen die Bücher trugen, aber das waren krumme, o-beinige Jungen aus Edo wie Gonsuké, der Rikscha-Zieher. Keiner sah so gut aus wie Nobu. Als Taka einstieg und sie losholperten, blickte sie sich nach Nobu um, der im Staub hinterherlief. Ihr kam es schrecklich vor, dass er nie die Möglichkeit haben würde, zur Schule zu gehen.
    Takas Schule war in einem ehemaligen buddhistischen Tempel untergebracht und hatte dunkle Korridore und modrige Räume, in denen die Mädchen im schwachen Licht, das durch die mit Papier bespannten Shoji drang, an niedrigen Tischen knieten und lernten.
    Den meisten Mädchen wurden, wie Takas Mutter ihr regelmäßig vorhielt, nur die Grundzüge der Fünfzig-Laute-Tafel und ein paar Kanji-Schriftzeichen beigebracht, und sie mussten Bücher wie Hohe Schule der Frau, Kindlicher Gehorsam und Einhundert Gedichte von einhundert Dichtern auswendig lernen, bevor sie im Alter von dreizehn Jahren in die Nähschule geschickt wurden. Mädchen wurden als einfältige, körperlich und geistig schwache Kreaturen betrachtet, für die es ausreichte, den Papierstreifen lesen oder beschriften zu können, auf dem sie dem Färber die Farbe für das Garn angaben. Takas Schule war jedoch für die Töchter der Elite gedacht. Um als vollkommen gebildet zu gelten, mussten sie sieben- bis achttausend Kanji-Schriftzeichen lernen. Sie wurden im Verfassen von Gedichten, Arithmetik und der Benutzung des Abakus unterrichtet, mussten sich konfuzianische Schriften und andere Klassiker einprägen und lernten sogar Englisch, alles Fächer, die normalerweise den Jungen vorbehalten waren.
    Taka wusste, wie privilegiert sie war, auf so eine Schule zu gehen. Doch als der Rikscha-Junge die Stangen senkte, spürte sie Panik in sich aufsteigen, wie jeden Tag. Sie ging hinein, drehte ihr hölzernes Namensschild um, half die Tische aufzustellen und nahm ihren Platz ein, ihr Schreibkästchen vor sich, war aber immer noch von banger Ahnung erfüllt.
    Die meisten Mädchen stammten aus Samurai-Familien, waren die Töchter der Kameraden ihres Vaters. Während Taka in früher Kindheit zur Geisha ausgebildet worden war, hatten sie Lesen und Schreiben gelernt und sich den Samurai-Künsten wie Reiten und dem Kampftraining mit der Schwertlanze gewidmet, der Waffe der Frauen. Wie Taka bald entdeckt hatte, waren Singen und Tanzen die von vulgären Stadtfrauen ausgeübten Fähigkeiten oder, schlimmer noch, von Geishas, die von so niederem gesellschaftlichem Rang waren, dass sie im Ständesystem gar nicht vorkamen. Solche Fähigkeiten wurden keinesfalls von gut erzogenen Samurai-Mädchen ausgeübt, die nicht mal im Traum daran denken würden, sich wie dressierte Affen aufzuführen, für die sie Menschen aus dem Unterhaltungsgewerbe hielten. Taka hatte sich nach Kräften bemüht, ihren Kyoto-Akzent und das Geisha-Verhalten abzustreifen, aber es nützte nichts. Alle wussten genau, dass ihre Mutter eine Geisha war.
    Während sich ihr Vater, der berühmte General Kitaoka, in der Stadt befunden hatte, war nie ein Wort gefallen. Und da Haru so gelassen und würdevoll war, hätte niemand gewagt, ihre Samurai-Herkunft infrage zu stellen. Doch nun hatte sich alles geändert. Taka hatte geglaubt, nach Harus Weggang Freundinnen in der Schule finden zu können, aber sie unterschied sich zu sehr von den

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