Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
Vom Netzwerk:
Schwertern ausgerüstete Männer, die mit ihren buschigen Bärten aussahen wie Banditen. Sie umringten ihn, funkelten ihn aus schwarzen Augen in dreckverkrusteten Gesichtern an. Selbst für einen ungewaschenen Soldaten wie Nobu war der Gestank nach Schweiß und Dreck so stark, dass er würgen musste.
    Das hier war also die Höhle des Drachen. Nobu hatte nach den Rebellen gesucht und sie gefunden – oder besser gesagt, die Reste von ihnen, diejenigen, die nicht gefallen waren oder sich ergeben hatten. Fünfzig waren es oder hundert, vielleicht mehr, einige mit blutfleckigen Verbänden um den Kopf, andere mit in schmutzige Lumpen gehüllten Arm- oder Beinstümpfen. Alle wirkten halb irr vor Hunger und Entbehrung.
    Unter ihnen waren Veteranen des Bürgerkriegs, grauhaarig und bullig, die bereits an dem Angriff auf Aizu vor neun Jahren teilgenommen haben mussten. Aber viele andere sahen unter ihren verdreckten Gesichtern wie Halbwüchsige aus. Einige trugen zerfetzte, breitschultrige Jacken und gestreifte Hosen, wie Bauern, mit dicken Lumpen um die Füße und Hanfsandalen, andere Armeeuniformen, ausgeblichen, zerrissen und schmutzig. Sie starrten ihn mit Feindseligkeit, Verachtung oder purer Gleichgültigkeit an.
    »Waren auf Kaninchenjagd, und schaut, was wir gefangen haben. Spione!«
    »Warum schleppt ihr sie her? Ihr hättet ihnen den Kopf abschlagen sollen.« Ein abgemagerter Bursche leckte sich die sonnenverbrannten Lippen. Seine Haut war ledrig, doch Nobu erkannte an der Stimme, dass der Mann noch jung war.
    Ein anderer drängte sich großspurig vor. Er hatte ein Auge verloren, und eine Narbe zog sich über seine Wange. »Haben euch ganz schön an der Nase herumgeführt, was? Habt ja wohl kaum erwartet, dass wir wieder auf dem Shiroyama auftauchen! Ihr mögt zwar die größere Truppenstärke haben, aber wir haben die Strategie, wir haben den Verstand, wir haben Ideale! Ihr folgt nur Befehlen. Wir kämpfen für unsere Sache und unseren Herrn.«
    Nobu versuchte auf die Füße zu kommen, wurde jedoch wieder auf die Knie gestoßen. Er starrte auf den Boden, überlegte, ob er ihnen sagen sollte, dass er ein Bote mit einem wichtigen Brief für ihren verehrten General war. Doch als man während der Belagerung von Kumamoto Boten zu den Satsuma geschickt hatte, waren ihre Köpfe über die Burgmauern zurückgeschleudert worden. Mit Gnade konnte er hier nicht rechnen. Er war ein toter Mann.
    Die letzten fünf Monate waren lang und blutig gewesen.
    In Kagoshima waren die meisten prächtigen Samurai-Residenzen, das Kaufmannsviertel, die Läden und Märkte, selbst die schäbigen Häuserreihen im Geisha-Bezirk verschwunden. Vieles war von der Armee niedergebrannt oder abgerissen worden, um Platz für Gräben, Bambuszäune, Sandsackwälle und Schützenlöcher mit Platz für fünfzig Mann zu schaffen. Der Rest war während der Kämpfe zerstört worden.
    Die Rebellen hatten immer wieder von den Bergen aus angegriffen, die Armee schließlich auf die Schiffe zurückgetrieben und eigene Feldschanzen errichtet. Einen ganzen Monat hatte es gedauert, bis es der Armee gelang, die Rebellen zu vertreiben und die Stadt erneut einzunehmen – oder das, was davon übrig war.
    Aber der Krieg war längst noch nicht vorbei. Der Feind teilte sich in Guerillagruppen auf und verschwand in den Bergen. Als der Sommer begann, war Nobu von einem Frontabschnitt zum anderen verlegt worden. Wenn er nicht unterwegs war, feuerte er sein Gewehr ab oder schwang sein Schwert, taub vom Geschützfeuer und dem Donnern der Kanonen, seine Augen und Nasenlöcher verbrannt und schwarz vom Rauch der Schlacht, so dicht, dass man meinte, im Nebel zu kämpfen. Nachts schlief er an steinigen Hängen oder unter Felsvorsprüngen, ständig von Ameisen und Läusen geplagt. Dann war der Regen gekommen, so stark, dass man überhaupt nichts mehr sehen konnte, hatte Bäche in Flüsse verwandelt und Wege in Schlamm. Krankheiten verbreiteten sich. Für eine Weile schien die Armee kurz davor, den Kampf gegen den Feind einzustellen.
    Rebellentrupps machten die Soldaten mit Überraschungsangriffen mürbe. Einmal, als Nobu durch die Hügel gestapft war, hörte er Männer vor sich einen Warnruf ausstoßen. Auf dem Pfad waren Bambusspitzen unter einer dünnen Erdschicht vergraben. Als die Soldaten seitlich ausweichen wollten, nahmen im Gebüsch lauernde Scharfschützen sie unter Beschuss. Damals war Nobu nur knapp mit dem Leben davongekommen, wie auch bei vielen anderen Gelegenheiten.

Weitere Kostenlose Bücher