Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Boden. »Sich jetzt zu ergeben, ist kein Ehrverlust, Herr«, murmelte er. Ein langes Schweigen trat ein. Er zitterte. In diesem Moment, das wusste er, war er in größerer Gefahr, seinen Kopf zu verlieren, als je zuvor.
»Mein Leben ist nichts wert«, grummelte Kitaoka. »Meine Männer haben sich nicht quer über Kyushu ihren Weg erkämpft, um den Kopf zu verlieren wie gewöhnliche Verbrecher. Sie verdienen es, auf dem Schlachtfeld zu sterben. Wir haben gekämpft, um die Lebensweise der Samurai zu bewahren, und wir haben versagt. Aber wir können der Welt trotzdem zeigen, wie Samurai sterben.«
»Ist das Ihre Antwort, Herr?«
Eijiro schnaubte. Nobu hörte das Kratzen von Metall auf Stein. Eijiro schärfte seinen Dolch. Die Wahrscheinlichkeit, es lebend den Berg hinunter zu schaffen, war äußerst gering, sollte Kitaokas Sohn etwas damit zu tun haben.
»Eine Antwort ist unnötig«, sagte der General. »Bleib eine Weile. Entspann dich, setz dich bequem hin, genieße die Aussicht.« Es stimmte. Von hier aus konnte man den Vulkan sehen. »Tut mir leid, dass ich dir nicht die angemessene Gastfreundschaft bieten kann, die einem Boten meines alten Freundes General Yamagata zusteht. Wir würden dir etwas zu essen anbieten, aber wir haben nichts mehr. Trink noch ein wenig Shochu mit mir, bevor du gehst. Ich sehe, dass du trinkfest bist.«
Der General ließ sich im Schneidersitz Nobu gegenüber auf den Boden nieder. Der hochgewachsene Offizier mit dem Amulett am Gürtel brachte ein Tablett mit angestoßenen Gläsern. Kitaoka nahm die Flasche und füllte Nobus Glas, reichte ihm dann die Flasche, damit er das seine füllte. Sie stießen an.
Eijiro hockte auf den Fersen neben seinem Vater und blickte mürrisch vor sich hin, während er seinen Dolch in den Boden bohrte. »Lass nicht zu, dass er sich dein Vertrauen erschleicht, Vater.«
»Mein eigensinniger Sohn erkennt, dass ihm der Tod ins Auge blickt. Du musst sein Benehmen entschuldigen. Eijiro, mein Junge. Du kennst diesen Burschen also?«
Eijiro grummelte: »Er hat in Tokyo für uns gearbeitet.«
»Tokyo.« Kitaoka seufzte und schaute wehmütig in die Ferne. »Also hast du unser Haus in Tokyo gekannt. Du kanntest meine Tokyoter Familie – meine Geisha, die alle Buta-hime nannten. Sie war die schönste Frau in ganz Kyoto, der Heimat schöner Frauen, und in Tokyo war sie überragend. Wusstest du das, junger Yoshida?« Nobu war erstaunt, Tränen in den Augen des Generals zu sehen. »Frauen, sie vermisse ich am meisten. Frauen, um das Leben zu versüßen, ihm Schönheit und Zärtlichkeit zu schenken. Meine Gattin ist eine gute Frau. Ich trage den Obi, den sie für mich genäht hat. Aber wenn ich jemandem mein Herz ausschütten wollte, ging ich zu Fujino. Du hast gute Erinnerungen gebracht, Yoshida. Ich bin glücklich, am Tag vor meinem Tod in solchen Erinnerungen zu schwelgen.«
Männer hatten sich um sie geschart und saßen schweigend da. Kuninosuké reichte Gläser herum, und sie schenkten einander Shochu ein. Die Schatten wurden länger. Bald würde die Sonne hinter den Felsgraten versinken.
Der General leerte sein Glas. »Seither ist eine Menge geschehen«, sagte er. »Zu viel. Nun ist nichts mehr von Bedeutung, außer gut zu sterben. Ich habe mein Todesgedicht aufgeschrieben. Lass es mich dir vortragen, bevor du gehst.«
Er schob seine Beine zurecht und holte Atem, als wäre er in einem Zenkloster und bereite sich auf die Meditation vor. Den Blick auf den steinigen Boden gerichtet, sprach er die Worte leise, wie zu sich selbst:
» Wäre ich ein Tropfen Morgentau, könnte ich Zuflucht suchen am Rand eines Blattes.
Aber ich bin ein Mann, und auf der ganzen Welt gibt es keinen Platz für mich.«
Nobu lief ein Schauder über den Rücken. Neben diesen Männern zu sitzen, die alle auf den Tod warteten, hatte etwas Unheimliches. Wie eine Geisterversammlung. Eijiros Hass, selbst Kuninosuké und sein Amulett – nichts davon spielte ein Rolle angesichts des allverzehrenden Todes.
Er nickte. Auf so ein Gedicht, in so einem Moment gab es nichts mehr zu sagen. Kitaoka hob seine große Hand. »Wir sind alle tote Männer hier, Yoshida, bis auf dich – dich und deinen Freund dort.« Er deutete auf Sakurai, der verdrießlich an der Felswand hockte, ein Glas Shochu in der Hand. »Ihr gehört in das Land der Lebenden. Nicht oft geschieht es, dass Männer das westliche Paradies betreten und es lebend wieder verlassen dürfen – doch ihr schon.« Irgendwo heulte eine Eule,
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