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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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gelegen.
    »Sie bezahlen mich überhaupt nicht«, hatte Nobu gemurmelt. Er zuckte zusammen, als er sich an die Ohrfeige erinnerte, die ihm diese Worte eingebracht hatten.
    »Wir ernähren dich, wir geben dir Unterkunft, was willst du denn sonst noch? Ich weiß, du hast Mutter einmal geholfen, aber wir sind hier keine Wohltätigkeitseinrichtung. Dämliche Kerle aus dem Norden, alles nur verkommene, faule Säcke. Keine Bange, ich finde eine Möglichkeit, dich loszuwerden. Glaubst du, wir hätten Schwierigkeiten, einen anderen Dienstboten zu finden? Man kann ja heutzutage keinen Schritt mehr tun, ohne über welche zu stolpern.«
    Plötzlich teilte sich die Menge unter tiefen Verbeugungen, und Nobu sah einen Kopf über die anderen aufragen. Er kannte diesen trägen Blick und die vollen Lippen. Das Gesicht war kantig, mit feisten Backen, fast als wäre fremdländisches Blut mit eingeflossen, ein wenig breiter, ein wenig fleischiger, als er es in Erinnerung hatte, aber trotzdem eindeutig Eijiro. Er schlenderte in einem eleganten Kimono daher, grüßte nickend nach links und nach rechts wie ein Daimyo unter seinen Untertanen. Dann griff er mit einem Heben der Augenbrauen demonstrativ in seinen Kragen und zog etwas heraus, das im Laternenlicht wie Gold funkelte.
    »Ist das für mich, Eiji-kun?«, trällerte eine seidige Stimme. »So etwas sieht man hier nicht oft. Wie nennt man es noch – einen Chronometer? Willst du ihn mir nicht schenken?«
    Zwischen den schwarzen Köpfen und tristen Gewändern tauchte ein Farbwirbel auf. Eine elegante Gestalt in schimmernder Seide und einer wahnwitzig hohen, mit glitzernden Haarnadeln gespickten Frisur trippelte auf Eijiro zu. Nobu erhaschte einen Blick auf ein Porzellangesicht, kamelienfarbene Lippen und schräg stehende Augen. Schmachtendes Stöhnen und Rufe wie »Tsukasa-sama, Tsukasa-sama, ich spare mein Geld für dich«, »Tsukasa-sama, warte auf mich, ich kaufe dich eines Tages frei« ertönten. Das war also die berühmte Tsukasa – viel bekannter als Segawa vom Kiefernzapfen-Haus, deren Schönheit, wie die Leute flüsterten, allmählich verblühte.
    »Hast wohl beim Kartenspiel gewonnen, was, Eijiro?«, rief eine Stimme aus der Menge.
    Eijiro schlenderte weiter, die Lippen zu einem arroganten Lächeln verzogen. Beim Vorbeigehen sah er nicht in Nobus Richtung.
    In Nobu wallte Zorn auf. Dieses selbstzufriedene Gesicht weckte so viele Erinnerungen. Er meinte, wieder das Tor hinter sich zuschlagen zu hören, und dachte an Taka mit ihren großen Augen und dem kindlichen, unschuldigen Gesicht. Sie war freundlich zu ihm gewesen, hatte einen Wert in ihm erkannt, als das sonst keiner getan hatte.
    Wieder stand Tanabata kurz bevor, der eine Tag im Jahr, an dem das tragische Liebespaar, die Weberprinzessin und der Rinderhirte, zusammen sein konnten. Hier in Yoshiwara, wo stets Liebe und Romantik und alles gefeiert wurde, was dazugehörte, würde das Fest mit größter Hingabe begangen werden. Der Gedanke an Taka schmerzte ihn, aber er riss sich zusammen. Er hatte ein neues Leben; das war jetzt alles Vergangenheit.
    Immer noch war die Straße voller Menschen, aber die Stimmung hatte sich verändert. Das Stimmengewirr klang jetzt feindselig. Struppige Köpfe drängten sich um eine stämmige Gestalt.
    »Was soll das?« Eijiros Stimme. »Hört auf, uns herumzuschubsen.«
    Stimmen knurrten in dem undeutlichen Genuschel der Edoer Unterschicht. Nobu hatte lange genug im rauen Teil der Stadt gelebt und konnte daher verstehen, was sie sagten. »He, du Angeber. Papa hat dich geschickt, was? Gibt dir Geld, ja? Und ’ne Menge, so wie’s aussieht.«
    »Lass meinen Vater aus dem Spiel, du nichtswürdiger Hund«, blaffte Eijiro. Anscheinend konnte er die Männer auch verstehen.
    »Wen nennst du hier einen Hund? Nimm die Pfoten von Tsusaka. Ihr Bauernlümmel kommt hierher, nehmt unsere Stadt und unsere Frauen, stolziert herum, als tät euch alles gehören. Mach, dass du wieder auf deine Süßkartoffeläcker kommst, wo du hingehörst!«
    Schreie waren zu hören, dumpfe Schläge und das Geräusch von Schubsen und Scharren, gefolgt von zerreißendem Stoff und dem empörten Aufschrei einer Frau. Nobu zögerte. Eijiro war sein Todfeind, er hatte jeden Grund, ihn zu hassen. Er war von ihm verprügelt und auf die Straße geworfen worden, Eijiro war der Sohn von General Kitaoka, der Geißel des Nordens. Aber er war auch Takas Bruder. Er war allein. Nobu konnte nicht tatenlos zusehen, wie Eijiro getötet

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