Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
sein.«
Nobu nickte knapp. Eijiro war eindeutig in Verlegenheit gebracht. Er musste eine Möglichkeit finden, das Gesicht zu wahren, doch Nobu gedachte nicht, ihm dabei zu helfen. »Sind alle wohlauf?«, fragte Nobu. »Ihre Familie, Ihre ehrenwerte Mutter?«
»Alle wohlauf.« Eijiros Augen verengten sich. »Du erinnerst dich an meine törichte kleine Schwester Taka? Sie wird bald verheiratet werden – eine ausgezeichnete Partie, mit dem Erben des Hauses Shimada.«
Nobu zuckte zusammen. Einen Moment lang stand er stocksteif da und starrte zu Boden. Das Trampeln der Füße, die Rufe, die Musik und das ausgelassene Treiben traten in den Hintergrund. Mit so einer Nachricht hatte er nicht gerechnet. Alles kam wieder hoch – der Unterricht im Schreiben und Lesen, ihre Anmut, seine glücklichen Tage in dem großen Haus in Shinagawa. Er war so sicher gewesen, dass er das alles überwunden hatte, aber es traf ihn trotzdem wie ein Schlag in den Magen. Doch es war sinnlos, sich zu wünschen, es wäre anders verlaufen, sinnlos, zu bedauern oder sich zu sehnen. Er schluckte. »Meinen Glückwunsch«, brachte er heraus und verbeugte sich mit einem gleichmütigen Lächeln, wie er hoffte. Er wollte Eijiro keinesfalls die Genugtuung geben, ihn bestürzt zu sehen. »Wünschen Sie ihr Glück. Und richten Sie Ihrer ehrenwerten Mutter meine besten Grüße aus.«
»Und du, Nobu. Was machst du hier? Ich wusste nicht, dass du ein Yoshiwara-Mann bist.« Eijiro breitete die Arme in einer umfassenden Geste aus, mit der er die leuchtenden Lampions einbezog, die Käfige der Prostituierten, die zurückgedrängten Menschen, die der Prozession einer herausgeputzten Kurtisane auf ihren hohen Getas Platz machten. Er musste die Stimme heben, um sich über den Lärm hinweg verständlich zu machen.
»Ich bin im Dienst«, erwiderte Nobu mürrisch. »Ich begleite meinen Herrn.«
Tsusaka zupfte an Eijiros Ärmel. »Eiji-kun, es wird spät. Gib dem Dienstboten ein wenig Geld und lass uns gehen.«
Nobu seufzte erleichtert. Er wollte gerade loslaufen, als sich ein flaches, hässliches Gesicht mit wulstigen Lippen durch die Menge schob.
»Nobu! Da bist du!« Bunkichi grinste. Sein Gesicht veränderte sich, und er stutzte, als er Eijiros beachtlichen Bauch und die teure Kleidung bemerkte. Er schrumpfte sichtbar zusammen und beugte den Kopf. »Tut mir leid, Herr«, murmelte er. »Belästigt Sie dieser Junge? Nobu, du bringst dich doch wohl nicht wieder in Schwierigkeiten, oder?«
»Nicht im Geringsten«, beruhigte ihn Eijiro. »Wir sind alte Bekannte. Er hat mir ausgeholfen.«
Bunkichi neigte den Kopf, warf Nobu einen fragenden Blick zu und verbeugte sich dann tief. »Bunkichi, unwürdiger Diener im Haushalt von Mori Ichinosuke«, sagte er und reckte die Brust.
»Mori-sama. Ich kenne ihn gut«, meinte Eijiro. »Ist dein Herr hier?«
Er grinste, als Bunkichis Gesicht die Antwort verriet, dass sein Herr tatsächlich in Yoshiwara, doch momentan anderweitig beschäftigt war.
»Der junge Nobu hier ist unser neuester Zugang«, erklärte Bunkichi. »Bin froh, dass er zu Diensten sein konnte. In Yoshiwara sind viele Raufbolde unterwegs«, fügte er ernst hinzu. »Geben Sie bloß auf sich acht, Herr, so ein wohlhabender Mann wie Sie.«
Als Nobu sich abwandte, spürte er ein Kribbeln zwischen den Schulterblättern, spürte, wie sich Eijiros Blick in seinen Rücken bohrte. Der Mann hasste ihn noch genauso wie früher, und dabei spielte es keine Rolle, dass er ihn gerettet hatte. Nobu würde dafür sorgen müssen, dass sich ihre Pfade nie wieder kreuzten.
Immer noch stand ihm Eijiros Schwester Taka deutlich vor Augen. Nobu ermahnte sich streng, kein Narr zu sein. Besser, er vergaß sie wieder, und das so schnell wie möglich. Und am besten gelang ihm das in den Armen eines Yoshiwara-Mädchens. Im Gegensatz zu Taka waren sie käuflich, und das schelmische Mädchen war am bereitwilligsten.
Missmutig folgte er Bunkichi zurück zum Kiefernzapfen-Haus.
9
»Ohne dich werde ich einsam sein, Taka«, jammerte Fujino und stach ihre Nadel in den Saum des Kimonos, an dem sie arbeitete. Sie zog den Faden durch, verknotete ihn und schnitt ihn ordentlich ab. »Du bist die Einzige, die ich noch habe, seit Haru fort ist. Mit wem soll ich reden, wenn auch du gehst?«
Taka schürzte die Lippen und machte ein finsteres Gesicht. Da bist du selbst schuld, Mutter, dachte sie. Mit mir hat das nichts zu tun. Doch sie hielt den Mund. Jede Erwiderung war zwecklos.
Sie saßen mit
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